Er stand im Dienste zweier Herren

■ DDR-Forscher Dietrich Staritz spionierte für Stasi und Verfassungsschutz

Berlin (taz) – Der „Sozialismus in einem halben Land“, so lautete der Titel der Habilitationsschrift von Dietrich Staritz. Ihm galt, so ist einer Laudatio zum sechzigsten Geburtstag des DDR-Forschers im Juli dieses Jahres zu entnehmen, sein „Beruf und Berufung“. Diesem Sozialismus galten auch, so haben Unterlagen der Gauck- Behörde ergeben, zeitweise seine besonderen Dienste. Staritz war von Beginn der sechziger Jahre bis zum Jahr 1972 Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit und hat in dieser Zeit, wie er gestern einräumte, „viele Berichte gegeben“. Als Gründe für dieses Engagement nannte Staritz die „Empörung und Enttäuschung über die rigide Abfertigung meiner Kritik an der SED“ während seines Studiums an der Humboldt-Universität 1956 bis '58. In der Zeit seiner Informantentätigkeit war Staritz als wissenschaftlicher Assistent bei Ossip Flechtheim an der Freien Universität und danach von 1968 bis 1972 als Redakteur beim Spiegel beschäftigt, auch dort mit dem Arbeitsschwerpunkt DDR. Seit 1972 hat es, so Staritz, keine Kontakte mehr zum MfS gegeben. Staritz war während seiner Zeit an der Freien Universität und ab 1981 an der Uni Mannheim eine der führenden Köpfe der DDR-Forschung. Neben etlichen Standardwerken hat er 15 Sammelbände und 77 Einzelstudien verfaßt oder daran mitgewirkt.

Bemerkenswert an der späten Offenbarung ist weniger, daß damit eine der bundesdeutschen Koryphäen auf dem Gebiet der DDR- Forschung zu Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere im Dienste Mielkes stand, als vielmehr der „Grund“, der Staritz bewogen hat, das Wissen um diesen Umstand bis gestern für sich zu behalten. Die Kontakte zur Stasi seien mit Wissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz unterhalten worden. Diesem hatte Staritz bereits als Mitarbeiter gedient, bevor das MfS an ihn herangetreten war. Gegenüber der taz wollte er nicht ausschließen, das darin einer der Gründe lag, die die Stasi bewogen hat, ihn ihrerseits zu engagieren. Auf jeden Fall wußten beide Dienste, daß er zugleich für die jeweils andere Seite tätig war. Er sei davon ausgegangen, so erklärte Staritz, daß die Stasi-Kontakte „durch Bindung an das Kölner Amt gewissermaßen legalisiert worden seien“. Zu dieser Tätigkeit als Doppelagent haben ihn seinerzeit „durchaus konfuse Vorstellungen von einem dritten Weg“ veranlaßt, die die „Möglichkeit einer Kooperation mit westlichen wie östlichen Geheimdiensten“ einschloß. Wegen der doppelten Agententätigkeit dürfte Staritz zumindest vor eventuellen Ermittlungen des Generalbundesanwalts gefeit sein. Dieter Rulff