Von Slim Fast und Propheten: Wie der Hamburger SV bei Schalke 04 diätmäßig mit 1:0 gewann

Den Anhängern Gelsenkirchener Ballkünste sollte man nach diesem Wochenende seherische Fähigkeiten attestieren. Prophetengleich müssen die Schalker Fans schon vor dem Gastspiel des HSV geahnt haben, was sie am Sonnabend nachmittag im Parkstadion erwarten würde. Anders ist es nicht zu erklären, daß sich schon am zweiten Bundesligaspieltag nur noch 28.000 Zuschauer in der ansonsten prallgefüllten Arena verloren.

Die wenigen bekamen Fußballkost vorgesetzt, die dem Diättrunk Slim Fast um nichts nachstand: Macht irgendwie satt, schmeckt aber wie Knüppel auf den Kopp. Mit anderen Worten: Planloses Gekicke und kaum Torchancen. Mut bewies nur HSV-Trainer Benno Möhlmann, der überraschend Sergio Zarate aufgeboten hatte, während Letschkow 90 Minuten die Bank drücken mußte. Die Höhepunkte der ersten Qualzeit sind schnell erzählt, es waren ja auch nur zwei: Die verletzungsbedingte Auswechselung Harald Spörls und das Versagen des Schalker Kapitäns, Andreas Müller, der frei vor „Eiche“ Stein überweg pikte.

Im zweiten Abschnitt kamen die Gastgeber wenigstens etwas auf Touren, doch dafür nahm sich Schiri Eugen Strigel seine Auszeit. Nach einer Stunde Spielzeit erkannte der Mann in grün, daß sich der Ball nach einem Schuß von Schalkes Michael Büskens „keine volle Umdrehung hinter der Torlinie befand“ (so der Unparteiische nach dem Spiel). Damit lag er nur zum Teil richtig: Das Leder hatte bereits drei Umdrehungen hinter sich, ehe Uli Stein es aus dem HSV-Kasten herausmanövrierte. Der Torwart hinterher, als er schon wußte, daß es ein reguläres Tor gewesen war: „Im Spiel habe ich gedacht, der war nicht drin, sonst wäre ich auch gar nicht mehr zum Ball gegangen.“ Schalkes Manager Rudi Assauer zweifelt derweil, ob 04 beim DFB Protest gegen die Wertung einlegen soll: „Die Chancen sind eher gering.“

Gegen das nächste Tor war selbst Herr Strigel machtlos. Die Schalker Abwehr hatte wohl nicht mitbekommen, daß für den gut zehn Minuten vor Schluß ausgewechselten Valdas Ivanauskas mit Karsten Bäron ein anderer Stürmer den Platz betreten hatte. Der schnellgenesene Jungstar kam Sekunden später unbedrängt an den Ball, welchen er sogleich im Schalker Gehäuse unterbrachte. Sehr zur Erleichterung von Benno Möhlmann, der trotz des ersten Punktsiegs seiner Mannschaft seit dem 18. März 1994 nicht abhob. Stattdessen forderte der Coach eine Leistungssteigerung, schließlich wolle man gegen den nächsten Gegner Karlsruhe bestehen und nach fünf Jahren wieder einen Sieg gegen die Badener erreichen. Andreas Dey

Andreas Dey