In der Geisterbahn

■ „Radio Inferno“ mit FM Einheit & Blixa Bargeld in der Hörspielmatinee im Abaton

Die Hölle ist ein Ort mit Niveau: In dem Hörspiel Radio Inferno, das in der gestrigen Hörspielmatinée im Abaton aufgeführt wurde, klapperte und rauschte es vor Statements. Hatte die Hölle dem Dichter-Giganten Dante Alighieri (1265-1321) einen Rahmen geliefert, um Die göttliche Komödie zu entwickeln, so fand nun der Autor Andreas Ammer in dem episch verschlungenen Werk des italienischen Renaissance-Dichters die geeignete Grundlage für sein Hörstück.

Die Hölle ist bei Ammer ein Ort der Originale und der Originalität. Zu Besuch kommen Dante und Vergil (70-19 v. Chr.), der römische Dichter der Äneis. Der Freund Röchelhein der BRD und Frontmann der Einstürzenden Neubauten, Blixa Bargeld, erzählt die Geschichte vom Erreichen der verschiedenen Höllenkreise und von der Unterhaltung, bei der sich die beiden Italiener menschheitsfragentechnisch die Bälle zuwerfen.

Die Beiträge des Neubauten-Schlagzeugers und Bühnenmusikers F.M. Einheit, des Gitaristen Casper Brötzmann und die Auszüge aus der Symphonie namens Die göttliche Komödie ergeben mehr als eine musikalische Begleitung. Das akustische Monsterplustern will nämlich nicht nur Spannung erzeugen, sondern auch verklickern, daß es hier wirklich um etwas geht. Dabei sind nicht nur die Weltliteraten und der Ready Made-Erfinder Duchamp Zeugen.

John Peel, langgedienter Radio-DJ, moderierte den Krach der satanischen Inszenierung als handle es sich um eine Pop-Sendung. Die versammelten Damen und Herren in den Kinositzen hatten ihren Spaß: Der Brite kalauerte durch die Membran, und sie hörten die Verfremdungseffekte trapsen. Da mochte einem gern Hören und Sehen im schön und reichlich schwefelhaltigen Äther vergehen. Die fettfarbig aufgetragene Kunsthuberei wollte in der anschließenden Diskussion keiner aus dem Radio Inferno rausgehört haben. Ammer machte klar, daß auch die hochprozentigste Flüssigkeit die Kraft der Körpersäfte nicht übersteigt: „Bargeld war während der Aufnahmen zwar immer betrunken, hat aber mit einer ungeheuren Intensität gesprochen.“

Die Bezeichnung „Geisterbahn“ nahm der Autor aus dem Publikum für seine Arbeit gern entgegen. Sie ist der Ort, wo das erwartete Unerwartete die Urinstinkte und einen Sinn für Mystik ansprechen soll. Andreas Ammer hat eine Geisterbahn für André Heller gebaut.

Kristof Schreuf