Tariflohn im Knast - ein Modell

■ In Vierlande verdienen neun Häftlinge soviel wie „draußen“

Das Unternehmen hat wahrscheinlich den besten Werkschutz in ganz Deutschland. Es steht auf dem bewachten Gelände des Hamburger Gefängnisses Vierlande. Während in der Baracke nebenan Häftlinge für Tageslöhne um neun Mark schuften, bekommen die neun in der Metallfirma „PeGo“ beschäftigten Strafgefangenen pro Stunde zwischen 15 und 18 Mark, Tariflohn also.

Das ist bundesweit einzigartig. Anstaltsleiter Jobst Poenighausen: „Die Häftlinge sagten: ,Ihr tut so, als würdet ihr uns bezahlen, und wir tun so, als würden wir arbeiten' – die Qualität war schlecht. Das war kein Zustand. Da haben wir mit der Firma PeGo vor zweieinhalb Jahren diesen Modellversuch gestartet.“

Henry ist einer der neun. Der 42jährige hatte eine eigene Elektrofirma, Frau und Kinder. „Eines Tages komm' ich nach Hause, und meine Frau sagt mir, sie läßt sich scheiden. Ich bin 'raus, habe mir eine dicke S-Klasse gekauft und bin in Urlaub. Natürlich war der Scheck nicht gedeckt, mit dem ich den Wagen bezahlt hab'.“ Ähnlich hat er's dann noch mit 16 anderen Autos gemacht, manche gegen den Baum gesetzt, andere gleich wieder verkauft. „Naja, Scheckbetrug, gab dreieinhalb Jahre.“ Seit 14 Monaten schneidet und kantet Henry Bleche, die zu Ständern für Postkarten oder Zeitschriften verarbeitet werden. Hier verdient er immerhin genug, um den Unterhalt für seine Kinder zu zahlen.

Ähnlich ist es bei Hans-Günter. Von den 2300 Mark, die der 36jährige monatlich verdient, liefert er 1300 Mark an seine Frau ab. Von den restlichen 1000 Mark kassiert der Knast 500 Mark als Haftkostenbeitrag, der Rest geht für Essen, Sparen und kleinere Einkäufe drauf.

Die neun Tarif-Arbeitsplätze sind nicht so begehrt, wie man denken könnte. „Viele meinen, das rechne sich für sie nicht“, sagt „PeGo“-Chef Peter Gonse, „weil sie wissen, daß sie den Haftkostenbeitrag abgezogen bekommen, ihre Prozeßkosten auf sie zukommen, dann kommen noch die Gläubiger, und am Ende bleibt doch nur das pfändungsfreie Existenzminimum. Und das kriegen sie von der Sozialhilfe auch.“

Die Häftlinge sind sich dennoch einig, daß es mehr solcher Jobs geben müßte. Einer von ihnen hat bereits neun Jahre im geschlossenen Vollzug im Gefängnis Fuhlsbüttel verbracht, bevor er die Gelegenheit zum Geldverdienen bekam: „Durch meine Tat habe ich mittlerweile 90.000 Mark Schulden. Hätte ich die neun Jahre in Fuhlsbüttel schon arbeiten können, wäre ich von dem Schuldenberg vielleicht schon runter.“ Fatina Keilani