Angebot ins Leere

■ Daimler-Chef Edzard Reuter möchte Regierender werden / SPD stellt sich tot und rätselt über Hintermänner der Kampagne

Edzard Reuter steht für eine „wie auch immer geartete Regierungsverantwortung“ in Berlin zur Verfügung. Mit diesem per Spiegel-Interview verkündeten Angebot sorgt der Daimler-Benz-Manager mit SPD-Parteibuch für Unruhe und Verwirrung.

Für den Wahlkampf stehe er als Spitzenkandidat nicht zur Verfügung, hat Reuter unmißverständlich erklärt. Voraussetzung für eine Amtsübernahme sei außerdem ein „eindeutiges Votum der Parteien“. Welche und wie viele Parteien damit gemeint sind, bleibt offen. So rätselt auch der Berliner SPD-Chef Ditmar Staffelt: „Mir ist die Logik des Ganzen nicht so ganz klar geworden. Ich habe den Eindruck, daß er praktisch erwartet, daß mehr als eine Partei – also mindestens zwei, wenn nicht mehrere – ihn bitten, nach einer Wahl ein Amt zu übernehmen.“

Unklar ist nach wie vor, wer Reuter ins Gespräch bringt. Die im Spiegel genannten „einflußreichen Berliner Wirtschaftsleute und Politiker“ haben sich bislang nicht zu erkennen gegeben. Die einzigen, die bislang undementiert in Zusammenhang mit der Reuter-Offerte genannt wurden, sind der Generalbevollmächtigte von Daimler-Benz für Öffentlichkeitsarbeit, Matthias Kleinert, und Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz. In SPD-Kreisen geht man daher davon aus, daß die Kampagne „zur Hälfte“ aus dem CDU-Flügel kommt, der Eberhard Diepgen schon lange absägen will. Kleinert soll CDU-Mitglied sein.

„In der Berliner SPD hat sich bislang niemand öffentlich für Reuter eingesetzt, und ich kenne auch niemanden, der dies intern getan hätte“, stellte Landesgeschäftsführer Rudolf Hartung gestern fest. Er schließt aus, daß hinter der Reuter-Kampagne die Genossen aus Bonn stehen, die den Daimler-Manager als Zugpferd für den Wahlkampf an der Spree schicken wollen. Reuters höflich formulierte Kritik, daß die Berliner Führungsschicht „der Situation der Stadt vor dem Mauerfall“ entspricht, trifft zwar sowohl CDU als auch SPD. Die SPD trifft es allerdings härter, ist doch offensichtlich, daß es mit dem wenig charismatischen Ditmar Staffelt kaum gelingen wird, die Partei aus der 30-Prozent-Zone zu katapultieren. Zumal der Landes- und Fraktionschef Staffelt aus der Heckelmann- Bonfert-Affaire lädiert hervorging, nachdem er sich mit einem angekündigten Mißtrauensvotum zu weit vorgewagt hatte. Hartung bekräftigte gestern erneut, daß Ditmar Staffelt „das erste Wort“ bei der Spitzenkandidatur habe.

„Nach meiner Kenntnis ist der Vorstoß von Reuter in der Partei gar nicht diskutiert worden“, sagt Peter Strieder, Vertreter der Parteilinken, „jedenfalls nicht als reale Alternative.“ Man rätsele eher, wer dahintersteckt. Auch Thierse fragte am Wochenende nach dem Sinn der Personaldebatte, „wenn gar keine Entscheidungen zu treffen sind“. Ansonsten übt sich die SPD im Totstellreflex. Hartung: „Wenn die keine Stichwortgeber bei uns finden, verläuft das im Sande.“ Dorothee Winden