Bodo sprach zu Bruno: Du!

Die Liga lügt: Nach einem bescheidenen 2:2 euphemisierten VfB Stuttgart und 1. FC Köln weiter die eigenen qualitativen Befindlichkeiten  ■ Aus Stuttgart Peter Unfried

Es brauchte bis gut eine Viertelstunde nach Schlußpfiff, ehe sich Bruno Labbadia in den Kabinentrakt vorgejubelt hatte. Der „Mann aus Schneppenhausen“ (TV-Mann Töpperwien) war existentiell bewegt. Noch immer hatte er das Gesicht zur Triumphgeste eines doppelten Torschützen verzerrt, noch immer hüpfte er und schwenkte sein Innerstes in wildem Tempo um den eigenen Kopf wie eben noch draußen auf der Tartanbahn das Trikot. Bruno war glücklich. Richtig besonders glücklich. „Ich freu' mich über jedes Tor“, sprudelte er, „aber das war natürlich ...“ Kleiner Werbebreak: Umziehen, Duschen, Bruno zurück: „... ein sehr wichtiges Tor.“

Das ist es bekanntlich des öfteren, und häufig eben deshalb, weil in der Branche in Sekunden gedacht wird. Und daher plötzlich alles mal wieder doch ganz anders ist. „Wenn man das analysiert“, sagte also Morten Olsen, der FC- Trainer, „haben wir hier einen Punkt verloren.“ Weil der FC den VfB in Halbzeit zwei mittels Olsens vieldiskutiertem Pressing in die eigene Hälfte zurückdrängte und mithin „voll beherrschte“, wie Torsteher Bodo Illgner zufrieden von hinten mitkriegte. Andererseits: „Der muß das 3:1 machen, der Kruse.“ Dies brummelte Jürgen Röber, nachdem der Elber-Ersatz nach 50 Minuten allein auf Illgner hatte losrennen dürfen. „Wir standen“, sagte der VfB-Trainer, „kurz davor 6:0 Punkte zu haben.“

Und dann? „Hätten wir nicht abgehoben“, meint der Manager Hoeneß, „aber es wär' vielleicht manches leichter gefallen.“ Was? Zum Beispiel, dem Zuschauer das Produkt VfB als Markenartikel zu verkaufen. Zwar schüttelt Hoeneß den Kopf, wenn er sinniert, „daß ausgerechnet der Spieler ausfällt, wegen dem wir uns am meisten angestrengt haben“, nämlich der Brasilianer Giovane Elber, und die Kölner wiederum verbarrikadieren sich hinter der Diskussion, ob der FC nun Olsens Pressing „gut“ spielt, wie Illgner mitkriegte, gar „sehr gut“, wie Kollege Röber attestierte, oder ob deshalb die vielen Gegentore fallen. Doch das sind wenig mehr als die üblichen Ablenkungsmanöver.

Die Liga lügt: Wer nicht ins Neckarstadion ging, um ein bestimmtes Team siegen zu sehen, der konnte sich ohne größere Anstrengung veritabel langweilen. Das Problem: Die lieben Fußballfreunde von Sat.1 haben zwar den Unterhaltungsfaktor gesteigert und damit auch die Massen zurück ins Stadion gebracht, doch bezieht sich das nur auf die mediale Inszenierung, nicht auf das Spiel selbst. Das viele Geld, das man in die Bundesliga pumpt, wirkt sich nicht qualitativ verbessernd aus. Na ja, wir wollen nicht übertreiben, nur eines festhalten: Das Verhältnis zwischen der Schnelligkeit des Spiels und der Fehlerquote der Akteure ist proportional. Und in der Bundesliga spielt man schnell. Und inzwischen gern und oft den sogenannten weiten Ball.

Aber die Protagonisten, die tollen Stars mit den guten Namen? Maßlos überschätzt wie der Medienprofi Toni Polster, brav und langweilig wie der im zentralen Mittelfeld vor sich hinwurstelnde Weltmeister Dunga, oder bieder- mittelmäßig wie die Manndeckerrecken Berthold und Foda.

Bezeichnend: Daß ein Bruno Labbadia bester Mann sein kann, nicht wegen der beiden Tore, nein, weil er mal den Gegenspieler – Foda allerdings nur – ausspielen kann, und das Gefühl aufkommt, es könnte was passieren. Und dann tatsächlich was passiert. Der Torhüter Illgner in letzter Sekunde zum Eckball nach vorn rennt, „nicht richtig dran kommt“, dadurch aber „die anderen wohl ein bißchen irritiert“ und Bruno einköpfen kann.

„Du mußt versuchen“, dies hatte der Bodo dem Bruno vor dem Spiel zugeflüstert, „die Siegermentalität rüberzubringen.“ Das tat der Bruno gehörig. Und fragte sich also kopfschüttelnd, „wie man hier einen Punkt abgeben kann“. Wie von Sat.1 inszeniert: Bodo, von den Zuschauern wegen nationaler Vergehen böse bepfiffen, hüpft wie ein Geißbock und zeigt der Haupttribüne die Fäuste. Die Leute, ebenfalls bewegt, bewerfen ihn mit allem, was zur Verfügung steht, und Bruno rennt mit leuchtenden Augen in die Kurve und tanzt den Siegertanz. Prima: Das reichte ohne Probleme für einen unterhaltsamen 180-Sekunden-Beitrag.

Nun ja: „Ich glaube“, sprach Morten Olsen versöhnend, „wir haben ein gutes Bundesligaspiel gesehen.“ Relativ und im Vergleich gesehen, mag das sogar stimmen: Genau das ist das Problem.

Köln: Illgner - Rolff, Higl, Stumpf (46. Greiner) - Steinmann, Goldbaek, Janßen, Rudy (82. Kohn), Weiser - Labbadia, Polster

Zuschauer: 35.000; Tore: 0:1 Labbadia (18.), 1:1 Kögl (24./Foulelfmeter), 2:1 Bobic (37.) 2:2 Labbadia (89.)

Stuttgart: Immel - Dubajic - Berthold, Foda (77. Schäfer) - Strunz, Kienle (68. Schneider), Dunga, Kögl, Poschner - Kruse, Bobic