■ Schröder steigt bei Scharping ein
: Eine neue Troika

Die Union nahezu uneinholbar bei über 40 Prozent, die Sozialdemokraten weit abgeschlagen – da muß schon ein mittleres Wunder geschehen, damit die SPD am 16. Oktober die Bundestagswahlen noch gewinnt und Rudolf Scharping sein Schattenkabinett zum wirklichen Kabinett machen kann. Wir mögen ja sehr gerne an Wunder glauben, sogar bei Herrn Scharping. Doch leider sind keine in Sicht. Auch die voraussichtliche Aufnahme des niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder in das SPD- Schattenkabinett fällt nicht in diese Kategorie. Doch immerhin hätte es Scharping damit geschafft, die alten Widersacher Lafontaine und Schröder unter einen Hut zu bekommen. Ob das nun allerdings auch Scharpings Hut sein wird, daran sind Zweifel angebracht. Die Integration Schröders in die Mannschaft des Kohl-Herausforderers wäre zunächst einmal ein Erfolg für Scharping. Nun braucht er keine Querschläger von der Leine zu befürchten, und er hat demonstriert, wer der Boß ist.

Scharping als Bundeskanzler, Lafontaine Finanzminister, Schröder Superminister? Schön wär's ja. Das funktioniert wohl nur dann, wenn die SPD die Wahlen nicht nur gewänne, sondern sogar die absolute Mehrheit holen würde. Lassen wir also lieber die fruchtlosen Spekulationen um ein sozialdemokratisches Kabinett und schauen nach der Sozialdemokratischen Partei. Denn wenn das Schattenkabinett auch keine Auswirkungen auf die kommende Regierung haben mag, auf die SPD hat es bestimmt einige. Erinnern Sie sich noch an Schmidt, Brandt und Wehner? Mit Scharping, Lafontaine, Schröder kehrt die SPD zur guten alten Troika zurück. Die stand für eine erfolgreiche Partei. Damals allerdings war die SPD Regierungspartei. Damals saßen alle drei Protagonisten vereint in Bonn. Doch auch in den guten alten Zeiten schon herrschte Dauerclinch zwischen den drei Beteiligten. Nichts deutet darauf hin, daß der mit einer neuen Troika nicht fortgeführt wird. Ob dabei – eine verlorene Wahl vorausgesetzt – Scharping im nächsten Jahr noch den Hut auf haben wird, ist nicht so sicher.

Sicher dagegen scheint: Gerhard Schröders Aufstieg in die Bundespolitik ist nicht zu bremsen. Lafontaines Machtgelüste bestehen selbstverständlich weiter. Scharping will nach der Wahl, egal wie sie auch ausgehen mag, nach Bonn gehen. Nach langen Jahren wechselnder Kanzlerkandidaten, Querschüssen aus der Provinz und quälender Debatten steht damit fest: Die SPD ist für die Opposition gut gerüstet. Klaus Hillenbrand