Wider die Schamlosigkeit auf der Bühne

■ „Die kleine Komödie“ vor der letzten Premiere / Ein Gespräch mit Peter Ahrweiler

Die Schneider-Pleite bedeutet auch für „Die Kleine Komödie“ im Neuen Wall das Aus. Die letzte Produktion, das Musical Irma La Douce, hat am Donnerstag Premiere, am 31. Dezember wird das Haus endgültig schließen. Wieder wird Impresario Peter Ahrweiler, 80, mitwirken, der die Hamburgensie 1953 gegründet hatte. Vorläufer war das Kabarett „Rendezvous“ gewsen, das der seit 1946 in Hamburg lebende Ahrweiler am Georgs platz führte. Der alte Herr, der selbst nachts die Abrechnungen und Bestellungen erledigt, machte beim taz-Gespräch keinen Hehl aus seiner Verbitterung.

taz: Ist „Irma La Douce“ Ihr Wunschstück zum Abschied?

Ahrweiler: Ja, es ist witzig, hat Situationskomik und ist als Musical – zumindest vom Dialog – besser als der Film.

„Die Kleine Komödie“ muß schließen, haben Sie sich um ein anderes Haus bemüht?

Nein. Das ist wie mit einem Baum, den man umpflanzen will.

Ist „Die Kleine Komödie“ Ihr Lebenswerk?

Als Lebenswerk betrachte ich meine Kinder und meine Familie. Darum hat es sich gelohnt, gelebt zu haben. Die „Kleine Komödie“ ist etwas, was ich aus persönlicher Eitelkeit getan habe. Es bleiben schöne Erinnerungen für viele, denen ich Freude gegeben habe. Die Arbeit war immer nur ein Hobby.

Sie haben in allen Bereichen Ihres Theaters mitanfassen müssen.

Für so viel Büroarbeit haben andere drei Sekretärinnen. Es ist also kein reines Künstlerleben. Wenn ich auf der Bühne stehe, erhole ich mich, dann kann keiner rufen: „Herr Ahrweiler, wo ist der Feudel, wo ist das Toilettenpapier?“

Arbeiten Sie mit jungen Menschen zusammen?

Es ist etwas böse, aber ich bin froh, daß ich es nicht mehr brauche. Wenn man heute mit jungen Menschen zusammenarbeitet, spricht man zwei verschiedene Sprachen. Uns hat früher der Beruf noch Spaß gemacht, heute habe ich das Gefühl, das sind Menschen mit Terminbüchern wie jeder andere Beamte auch. Da ist nichts mehr, was diese Leute noch begeistern kann, dieses Komödiantentum fehlt heute. Es sind alles Selbstdarsteller. Ein 24jähriger sollte mir, aufgrund meiner Erfahrung, erstmal zuhören. Deren Sprache ist ja genauso zum Kotzen, wie das, was sie dann aus sich rauswürgen. Ich finde es auch furchtbar, daß Trends, wie der im Schmidt gezeigte, leben.

Welchen Trend meinen Sie?

Diese Schamlosigkeit. Es wird auf Bühnen gepinkelt, onaniert, alles unter der Gürtellinie, und das Volk johlt darüber. Das ist wie ein Verfall jeglicher Ästhetik. Aber man fühlt sich unterhalten und alle klatschen auf dem falschen Bein.

Was tun sie dagegen?

Nichts mehr. Nach dem Krieg war ich als „der Salon-Bolschewist“ verschrien. Erst als ich merkte, daß ich niemanden bekehren konnte, begann ich mit Boulevardtheater, um zu Überleben. Heute kann man mit Mercedes in der Garage und vier Anzügen im Schrank kein Kabarett mehr machen.

Was machen sie in Zukunft?

Ich schreibe ein Buch, obwohl ich weiß, daß es sinnlos ist, denn es wird nicht gelesen werden, weil es böse, bissig und satirisch ist. Ich sage immer, es wird eine Dokumentation der vergangenen 60 Jahre. Außerdem würde es mich schon interessieren, mich als Senior nutzbringend in den Staat zu integrieren, weil ich mich immer noch so fühle, als sei ich aus der Pubertät nicht herausgekommen.

Fragen: Andreas Dey