Junkies in die City

■ Drogenberatung soll ins Faulenquartier umziehen / Beiräte und CDU kündigen Widerstand an

Nun wird es amtlich: Die umstrittene Drogenberatungsstelle (Drobs) soll aus dem Ostertor in die City umziehen. Das steht in einem Papier, das die Sozialsenatorin am 9. September der Deputation vorlegen will. Danach soll das „niedrigschwellige“ Angebot für die Junkies aus der Bauernstraße so schnell wie möglich in der Ölmühlenstraße, eine Querstraße zur Faulenstraße, umziehen. Dort findet zur Zeit Drogenberatung für Ausstiegswillige statt. Doch was auf den ersten Blick als Endpunkt einer scheinbar unendlichen Geschichte der Auseinandersetzungen um die offene Drogenszene im Viertel aussieht, das löst keineswegs Erleichterung aus. Sowohl der Beirat Mitte, in dessen Sprengel beide Standorte fallen, als auch die Bürgerschafts-CDU haben sich gegen die Verlegung ausgesprochen. Sogar die AnwohnerInneninitiative im Ostertor, die seit Jahren gegen die Drobs in ihrer Nachbarschaft kämpft, ist gegen den neuen Standort. Alle KritikerInnen eint eine Alternative: Sie wollen, daß die Drobs in das Hauptgebäude der Senatskommission für das Personalwesen in das Rotlicht- und Regierungsviertel Auf der Brake umzieht.

Seit Jahren geht der Streit um das Junkie-Angebot in der Bauernstraße, einer kleinen Wohnstraße quer zum Ostertorsteinweg, die insbesondere zur Mittagszeit von Drogenabhängigen okkupiert ist. Nach und nach konnten die geplagten AnwohnerInnen die Öffentlichkeit, Politik und am Ende auch die Verwaltung davon überzeugen, daß dieser Zustand geändert werden müßte.

Im letzten Herbst versprach die Sozialsenatorin Irmgard Gaertner vor der Bürgerschaft den Umzug der Drobs bis zum Sommer dieses Jahres, ein Verprechen, das sich alsbald als Makulatur herausstellte. Die Behörde prüfte eine ganze Reihe von Gebäuden, übrig blieben unter anderem zwei der Senatskommission für das Personalwesen am Fuße des Siemenshochhauses, Auf der Brake 1 und 18. Auf der Brake 18 war über lange Zeit ein heißer Umzugstip, von dort zieht dieser Tage eine SKP-Abteilung in das SKP-Hauptgebäude Brake 1. Doch die Nummer 18 erwies sich als Flop: Im Frühsommer mußte Sozialstaatsrat Hans-Christoph Hioppensack vor dem Beirat Mitte kleinlaut zugeben, es habe sich herausgestellt, daß es mehrere Miteigentümer an dem Gebäude gebe. Und die stellten sich quer. Daran konnte auch der Senatorin persönlich nichts ändern, die sich vor einigen Wochen in die Verhandlungen eingeschaltet hatte. Alles, so Hoppensack, liefe auf einen Behörden-Ringtausch hinaus, bei dem die Bauernstraßen-Drobs in der Ölmühlenstraße landet.

Von dem versprochenen Umzug zum Sommer war längst keine Rede mehr. Und schon gar keine Rede war mehr von den ersten beiden Stockwerken im SKP-Gebäude Auf der Brake 1, das die Bauernstraßen-Initiative, der Beirat, die CDU und in der Sommerpause auch die FDP als besten Standort ausgeguckt hatten. Offensichtlich gab es niemanden, auch nicht im Sozialressort, der diese Möglichkeit ernsthaft geprüft hätte. Seelenruhig konnte die SKP den Antrag stellen, den Eingang des Gebäudes nach eigenem Gusto umbauen zu lassen. Erst als die Bauhandwerker vor gut zwei Wochen schon bei der Arbeit waren, gab es die erste informelle Besichtigung der Räumlichkeiten durch einen Mitarbeiter des Sozialressorts. Fazit: bestens geeignet. Nur leider zu spät.

Nun hat die Sozialsenatorin schätzen lassen, was der Umbau kosten würde, wenn dort die Drobs einziehen würde: über den Daumen gepeilt 400.000 Mark. „Viel zu teuer“, sagte gestern Jochen Eckerz,. Sprechger des Sozialressorts. Schon aus Kostengründen müßte das Ressort für die Lösung Ölmühlenstraße sein. Die soll, genauso grob geschätzt, zwischen 100.000 und 300.000 Mark kosten. Noch niemand könne abschätzen, wie teuer der Umzug der Ambulanz aus der Bauernstraße werde.

Dieser Trend ruft nun die GegnereInnen auf den Plan. In einem Presegespräch forderten gestern die AnwohneraktivistInnen aus dem Viertel ultimativ, die Drobs müsse bei der SKP einziehen. Inge Steinecke: „Das Sozialressort hat damals den Anwohnern in der Ölmühlenstraße versprochen, daß dort niemals ein Angebot wie in der Bauernstraße hinkommt.“ In der Tat hatte das die Sozialsenatorin in öffentlicher Beiratssitzung zugesagt, und das ist es auch, was jetzt die Beiräte auf die Palme bringt. Die haben sich während der Sommerpause verständigt. „Wir wollen das auf keinen Fall“, sagte gestern Uwe Voigt, Beirat von den Grünen. Schließlich solle das Faulenquartier aufgewertet werden, da könne man nicht die Drogenberatung hinpflanzen. Dabei sei die Brake 1 bestens geeignet. Voigt ahnt Gemeinheiten des Sozialressorts: „Wir sollen mal wieder auf die ganz plumpe Tour hinter's Licht geführt werden.

Schützenhilfe bekommen die KritikerInnen dabei von der CDU. Die faßte gestern auf ihrer Fraktionssitzung den einstimmigen Beschluß gegen den Umzug der Drobs in die City und für die Drobs in der Brake. Die CDU-Sozialpolitikerin Roswitha Erlenwein: „Die Staatsräte sollen sich gefälligst einigen.“

J.G.