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: Kabelfernsehen für alle

„Heidi Kabel – zwei neue Stücke“, So., 20.15 Uhr, ARD

Heidi, nicht die von den Bergen, sondern Kabel, ist 80 geworden. Grund zum Feiern namentlich für den NDR am Donnerstag, Freitag, Samstag, Sonntag früh und zusätzlich für die Zuschauer in der ersten Reihe noch am Sonntag abend. Alles, was über Heidi Kabel zu sagen wäre, ist gesagt, und ihre Verdienste um das Volkstheater sollen ungeschmälert sein. Sie ist – selten genug in Deutschland – eine lebende Legende, und es wird behauptet, das Theater, das bereits in seinem Namen heitere Problemabstinenz verkündet, wäre auch dann ausverkauft, wenn die Kabel lediglich aus dem Hamburger Telefonbuch vorläse.

Nun wurden eigens zu ihrem Geburtstag zwei neue Stücke geschrieben, auf daß die rüstige Seniorin noch einmal ihre schauspielerischen Fähigkeiten zeige. Das erste Stücke (Autor: Ingo Sax) zeigt Heidi Kabel als betagtes Zimmermädchen in einem Hamburger Hotel. Über eine Partnervermittlung tritt sie in Briefkontakt zu einem Münchner (Hans Clarin). Sie gibt sich als Hotelfachfrau aus, er sich als Hotelfachmann. Man lernt sich kennen und stellt fest: Beide haben geschwindelt, er ist auch nur Klomann. Na ja.

Während dieses Stück durch seine gedehnte Einleitung verfummelt-umständlich wirkte, konnte „Die Therapeutin“ (Autorin: Angelika Bartram) mit Heidi Kabel als Mutti die komödientypischen Elemente des Volkstheaters wie Mißverständnis und Verwechslung effektiver nutzen. Geradezu atemberaubend, wie die Jubilarin das hohe Tempo körperlich und dialogsicher durchhält; der mehrfache Szenenapplaus trägt dem Rechnung. Daß der Inhalt des Stücks hinter der Personality-Show verschwindet, stört da nicht.

Allein die Nennung des zuständigen Redakteurs am Schluß ließ stutzen: Eberhard Scharfenberg. Der ist doch dadurch bekannt, daß er Leute wie Lambert, Beiersdorf, Schlingensieff, Treut und Lars Becker gefördert hat und Meichsners „Schwarz Rot Gold“ betreut. Ist das die neue Politik der einstmals so namhaften Hauptabteilung Fernsehspiel des NDR, statt Experimente zu wagen, nun unsägliche Serien wie „Peter Strohm“ zu produzieren oder, wie in diesem Fall, nach sieben Sendungen über und mit Heidi Kabel als Ultima ratio noch eine achte dranzuhängen? Wir blicken angstvoll in die Zukunft: Nächstes Jahr wird Inge Meysel 85! Roswitha Seidel