Rechte Parole gegen 3. Oktober

■ Hauseigentümerin verweigerte sieben Wochen lang die Beseitigung

Seit sieben Wochen bereits prangt diese Parole an einem Mehrfamilienhaus im Brüggeweg in Hemelingen: „Kein jüdisches Bonzentreffen am 3.10.94 in Bremen“. Am 6. Juli war sie zum ersten Mal gesprüht worden, am 11. Juli ließ die Hausbesitzerin den Schriftzug übermalen, am 12. Juli prangte derselbe Spruch erneut an der Wand. Die Hemelinger Polizei forderte die Hausbesitzerin auf, auch diese Parole zu entfernen. Doch die verwies auf die Kosten – etwa 500 Mark – und wollte erst den 3. Oktober abwarten, bevor sie erneut eine Reinigungsfirma beauftragt.

Üblicherweise setzt die Polizei den HausbesitzerInnen eine Frist, weiß Staatsanwalt Hans-Georg von Bock und Polach. Wer die Parole in dieser Frist nicht beseitigt, kann „in die strafrechtliche Verantwortung hineinwachsen“. Notfalls veranlaßt die Polizei selbst eine Entfernung der Schmierereien und gibt die Rechnung an die HausbesitzerInnen weiter.

Solange wollte der Hemelinger Ortsamtsleiter Hans-Dieter Rissland aber nicht warten, ihm lag die Sache im Magen: „Ich finde die Parole so was von gruselig und schlimm, das ist Volksverhetzung.“ Am Montag nachmittag hat er mit der Hausbesitzerin geredet, bis die sich bereit erklärte, die Parole noch in den nächsten Tagen entfernen zu lassen.

Jetzt muß sich die Staatsanwaltschaft mit der Sache befassen: Zwar hat die Hausbesitzerin keine Anzeige erstattet, doch weil Volksverhetzung kein Antragsdelikt, sondern ein Offizialdelikt ist, muß die Staatsanwaltschaft von sich aus ermitteln. Auf Volksverhetzung stehen mindestens drei Monate Haftstrafe, die allerdings in der Praxis häufig in eine Geldstrafe umgewandelt werden, sagt Staatsanwalt von Bock und Polach.

Einen Tatverdächtigen allerdings gibt es nicht. Die Hemelinger Polizei, so der Revierleiter, habe ohnehin bislang keine rechten Parolen in Hemelingen gesehen, und es wohnten auch keine bekannten Rechten hier. Auch der Verfassungsschutz hat keine Idee: „Geschmiert haben könnten da viele“, sagt Walter Wilhelm, Leiter des Bremer Verfassungsschutzes. „Es ist eine Mischung, die relativ neu ist: erstens gegen den 3. Oktober, zweitens gegen Kapitalismus, drittens gegen Juden“.

Möglicherweise, so Kenner der rechten Szene, stecken hinter der Sprühaktion sogenannte Strasseristen. Leute also, die sich auf die Brüder Strasser, die einstigen Führer des linken Flügels der NSDAP, beziehen. Gregor Strasser, einer der Brüder, war 1925 von Hitler mit der Führung der norddeutschen NSDAP betraut worden, geriet aber wegen seines sozialrevolutionären Programms in Gegensatz zu Hitler. Im Zusammenahng mit der Röhmaffäre wurde er ermordet. Heute beziehen sich junge Rechte gern auf Strasser mit der Begründung: „Es war ja gar nicht alles falsch damals“.

Ganz anders interpretiert Hartmut Busch vom Kriminalkommissariat 7 (Staatsschutzdelikte) die Parole: Mit Bonzen seien nicht „Reiche“ gemeint, sondern „Parteifunktionäre“. So hätten Rechte in der Weimarer Republik die Führer anderer Parteien bezeichnet. Die Parole habe also gar nichts mit Kapitalismuskritik zu tun und damit auch nicht mit irgendwelchen Strasseristen.

Das K 7 hat außerdem die Erfahrung gemacht, daß sich die rechte Bremer Szene vor allem aufs platte Hakenkreuzschmieren beschränke. „Ich wüßte keinen, der sich in der rechten Szene Gedanken macht zum Beispiel um die Definition eines Wortes“, sagt Hartmut Busch. Er kann die Parole niemandem zuordnen. Selbst die Handschriftensammlung hat nichts ergeben. „Die Akte wird wohl ohne Täterermittlung der Staatsanwaltschaft übergeben; und die stellt dann wohl ein.“ kaz/cis