Von Arbeitnehmern und Arbeiterklasse

Bundestagswahlkampf konkret: In Köpenick tritt der parteilose PDS-Kandidat und Betriebsrat Peter Hartmann an und findet seinen SPD-Konkurrenten Siegfried Scheffler „kompetenter“  ■ Von Helmut Höge

Am vergangenen Sonntag bestritt der Bundestagskandidat der PDS für Treptow und Köpenick, Hanns-Peter Hartmann, im Sportlerheim „Eiche“ seine erste Wahlkampf-Veranstaltung. Der PDS- Kandidat für Mitte und Prenzlauer Berg, Stefan Heym, gab Hartmann hin und wieder geschickt die Stichworte. Auch der Köpenicker SPD- Konkurrent und Bundestagsabgeordnete Siegfried Scheffler nahm teil. Möglicherweise lag es an dieser besonderen Zusammensetzung, daß dieses Podiumsgespräch weitaus besser besucht war als der Berliner SPD-Wahlkampfauftakt in der Kulturbrauerei am Tag zuvor, an dem Thierse, Staffelt, Scharping und die Senatoren Krüger und Nagel teilnahmen.

SPD-Mann Scheffler hatte Peter Hartmann auch früher schon unterstützt, als es darum gegangen war, die Gerätebatteriefabrik BELFA vor der endgültigen Abwicklung durch die Treuhand zu bewahren. 80 von 120 Mitarbeitern wurden schließlich von den neuen Eigentümern übernommen, nicht jedoch der dort beschäftigte Betriebsratsvorsitzende Peter Hartmann. Er klagt seitdem auf Wiedereinstellung. Die neuen BELFA-Besitzer und die Treuhand boten ihm in erster Instanz 58.000 DM an, die er aber ablehnte. Dafür offerierte dann die PDS dem einstigen SPD- Ostmitgründer eine Kandidatur als Parteiloser auf ihrer „Offenen Liste“. „Damit Ostinteressen nicht unter den Latsch kommen“, so lautete nun sein Motto, das man auch als Transparent in der „Eiche“ aufgehängt hatte.

„Wo wären diese Interessen denn ohne die SPD geblieben?“ hielt der ehemalige Tiefbauingenieur Scheffler dagegen, dem Peter Hartmann unumwunden „eine größere Kompetenz für Bonn“ bescheinigte, weil der SPD-Mann bereits eine „Legislaturperiode hinter sich“ hatte. Beiden ging es primär um die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen in ihren Wahlplädoyers, wobei Scheffler auch noch auflistete, welchen Köpenicker Mietern oder Arbeitnehmern er bereits konkret als SPD- Abgeordneter geholfen hatte.

In dem von PDS-Wählern dominierten Publikum befanden sich auch einige Köpenicker Betriebsräte. Einer, von der Yachtwerft, arbeitete bis Anfang 1994 in der von Walter Momper gegründeten SPD-Betriebsräte-AG mit: „Aber ich hab's bei der SPD aufgegeben, nachdem ich denen so oft gesagt habe, was not getan hätte.“

Peter Hartmann war ebenfalls in der SPD-Betriebsräte-AG aktiv gewesen, daneben aber noch in der autonomen Berliner und ostdeutschen Betriebsräteinitiative, die der Betriebsratsvorsitzende von Narva, Michael Müller, 1992 „angeschoben“ hatte.

Aus der Konkursmasse der mit Abschluß der Treuhand-Privatisierungen eingegangenen Initiativen wurden neben Peter Hartmann auch noch der Bischofferöder Betriebsrat Gerd Jütemann sowie der Industriepfarrer und Indienfahrer Willibald Jacob als Bundestagskandidaten von der PDS gewonnen. Auch der Berliner HBV-Gewerkschaftsvorsitzende Manfred Müller gehört in gewisser Weise zu diesem Kreis.

Für Hanns-Peter Hartmann, der sich mittlerweile wegen seiner PDS-Kandidatur mit dem Narva- Betriebsratsvorsitzenden Michael Müller zerstritten hat („Wie willst du denn in Bonn auch nur einen einzigen Arbeitsplatz retten?“), ist Stefan Heym, neben Graf von Einsiedel und Gerhard Zwerenz, so etwas wie eine Orientierungsfigur in seinem dritten Lebensabschnitt „PDS-Bundestagskandidat“. Davor war der gelernte Rinderpfleger und diplomierte Agrartechniker viele Jahre stellvertretender LPG- Vorsitzender bei Oranienburg. Im Gerätebatteriewerk BELFA dann arbeitete er zwölf Jahre an der Stanze, bis ihn seine Kollegen in der Wende zum Betriebsratsvorsitzenden wählten. Vor einigen Monaten entschied sich die Restbelegschaft erneut für ihn, obwohl er seinen Betrieb als Arbeitsloser genaugenommen nicht mal mehr betreten darf: „Der Klassenkampf ist jetzt beendet“, hieß es dazu erklärend in einem Schreiben der neuen Firmenbesitzer an Peter Hartmann. Dabei denkt der viel eher gradlinig-querulatorisch als strategisch-organisatorisch oder gar gesamtgesellschaftlich. Und so weigert er sich, etwa auf PDS-Veranstaltungen in Köpenicker Hochburgen der ehemaligen Staatsorgane, „denen auch nur ein bißchen nach dem Mund zu reden“. Neulich, auf der Busfahrt zu einer PDS-Schulung, bot Stefan Heym ihm Wahlkampfunterstützung an. Hartmann nahm dankend an: „Wenn du mal einen Proleten auf deinen Versammlungen brauchst, komme ich auch gerne zu dir!“ Das hörte die vor ihnen sitzende Spiegel-Reporterin. Sie fragte ihn daraufhin nach dem Motiv für seine PDS-Kandidatur. Das sei die Partei, die „am konsequentesten Interessen von Arbeitnehmern“ vertrete, antwortete er. Die Reporterin machte daraus später: „Die PDS setzt sich als einzige für die Aufrechterhaltung der Arbeiterklasse ein.“ Und das sollte er auch noch gegen die ihm in ideologischer Hinsicht zu laxen und zynischen Heym und Zwerenz gesagt haben. Der Jungen Welt gefiel dieses vermeintliche Hartmann-Bonmot dennoch so gut, daß sie es sogleich zum Spruch des Tages kürte. Was wiederum einige PDSler bewog, sich bei Hartmann besorgt zu erkundigen, ob er jetzt der kommunistischen Plattform beigetreten sei. Mittlerweile gefällt Hartmann selbst schon die Spiegel-Version besser als seine eigene.

Nichtsdestotrotz ist ihm „die kommunistische Plattform“ gewissermaßen wesensfremd, ebenso wie „durch die Bank“ die jungen westdeutschen PDS-Kandidaten, die er vor einigen Wochen auf einer Kandidaten-Schulung der PDS bei Potsdam kennenlernte, wo ihnen allen eine der Partei verbundene Werbeagentur videogestützt Interview-Antworttechniken und Talk-Auftritte, Personal Marketing kurz gesagt, beibrachte. Auch die Kandidaten-Fotos für die Plakate und Prospekte wurden dort aufgenommen. Hartmanns Wahlversprechen darauf lautet: „Ich habe erfolgreich für Arbeit gekämpft und werde es auch in Zukunft tun.“