Kostendrücker Hafen Hamburg

■ Turnschuh-Gangs gegen High-Tech- Facharbeiter Von Florian Marten

Die Hamburger ÖTV wollte es endlich einmal wissen: Hat Hafenarbeit noch eine Zukunft? Und wenn Ja – welche? Statt sich, wie bislang üblich, allein Auskünfte bei Senat und Hafenfilz einzuholen, ließ die ÖTV den DGB ein Gutachten bei der Harburger Uni anfertigen. Kleiner Hintergedanke der Funktionäre: Das Gutachten sollte Munition für den Poker um die Hafenerweiterung in Altenwerder liefern. Das Ja der ÖTV zu diesem Projekt soll schließlich vom Senat und vom Umschlagsgiganten HHLA mit satten arbeitsrechtlichen und tarifpolitischen Zugeständnissen belohnt werden.

Die Gutachter um den hochrenommierten Wissenschaftler Dieter Läpple bedienten ihre Auftraggeber auf den ersten Blick denn auch brav. Sauber analysierte das Harburger Forscherteam die Gefahren, die dem Arbeiteradel im Hafen drohen: Die Zahl der hochbezahlten und arbeitsrechtlich bestens situierten Hafenarbeiter, eine ehrene Machtbastion der ÖTV, ist seit Jahren dramatisch rückläufig. Die Hafenfirmen, so zeigt das Gutachten, reduzieren ihre Stammbelegschaften und konzentrieren sich aufs Kerngeschäft. Möglichst viele Zusatztätigkeiten werden an ausgegliederte Minifirmen oder Fremdklitschen vergeben. Die Dienstleistung Hafenumschlag wird heute mit einer eigentümlichen Mixtur von „Turnschuh-Gangs“ (Aushilfs-, oft auch Schwarzarbeiter) und High-Tech-Facharbeitern (Containerbrückenfahrer) abgewickelt.

Da im Hafengebiet aber die offiziellen Hafentarife gezahlt werden müssen, verlagern die Unternehmen einen Gutteil der Arbeit aus dem Hafen heraus. Nach Informationen der taz liegt das derzeitige Gefälle zwischen Hafenlohn und Turnschuhlohn bei 2:1. Um diese Lücke zu verkleinern, hat die ÖTV kürzlich einem besonderen Tarif zugestimmt, der im Hafengebiet gilt und nur 70 bis 85 Prozent des üblichen Arbeiteradellohns beträgt. Als „Altenwerderbonbon“ wird die ÖTV deshalb einklagen, daß auch die sogenannten „Logistikflächen“ im hinteren Teil Altenwerders als Hafengebiet firmieren und damit höhere Löhne garantieren. Ein Vorhaben, gegen das die Hafenunternehmen schon heute Sturm laufen.

Die eigentliche Brisanz des Läpple-Gutachtens liegt jedoch an anderer Stelle: Ihre Analyse der Hafenunternehmen zeigt vor allem deren mangelhafte Innovationstätigkeit. Statt perfekte und hochwertige Dienstleistungen rund um den Umschlag aufzubauen, kümmern sie sich nur ums Kostendrücken. Nach Auffassung von Läpple & Co verschläft der Hafen damit seine Zukunft: „Wenn Hafenunternehmen die sich aus dem Strukturwandel der Transportwirtschaft ergebenden neuen Marktchancen nicht nutzen, dann werden nicht nur Beschäftigungsmöglichkeiten verschenkt. Längerfristig steht damit auch die Rolle, die Seehäfen als Schnittpunkte in internationalen Transportketten spielen, zur Disposition.“

Das ist trotz der betulichen Wissenschaftlersprache ein vernichtendes Urteil: Während der Senat seine Hafeninvestitionen heute damit rechtfertigt, der Hafen entwickle sich zum hochwertigen und komplexen Logistikpool, beobachten die Wissenschaftler das Gegenteil: Der Hafen verkommt zur billigen, flächenfressenden zur arbeitsarmen Containerschleuse – das Zukunftsgeschäft machen andere. Moderne Logistikkonzepte erlauben es nämlich, die hochwertigen Leistungen um die Warenströme herum an jedem beliebigen Punkt der Transporte anzusiedeln, den ein Container durchläuft. Moderne LKW-Konzerne verfügen schon heute über Know-How-Vorsprünge im Bereich der Edellogistik.

Was tun? Hier hüllen sich die Wissenschaftler in vornehmes Schweigen. Der DGB hatte den Gutachtern explizit verboten, eigene Vorschläge hineinzuschreiben. Für Experten liegen sie freilich auf der Hand: Statt Billigstrategien wie die Hafenerweiterung in Altenwerder zu subventionieren, bräuchten Hafen und Hafenunternehmen einen Modernisierungsschub. Am dringstenen wohl die Hafenverwaltung und der städtische Hafenriese HHLA.