piwik no script img

Was haben sie geglaubt, dort vorzufinden?

■ betr.: „Care-Helfer kehren vorzei tig nach Deutschland zurück“, taz vom 22.8.94

[...] Bisher 57 der sogenannten Helfer brechen ihren sogenannten humanitären Einsatz frühzeitig ab. Frühzeitig heißt, noch weniger als die an sich schon lächerlichen zwei Wochen! Was haben sie geglaubt, dort vorzufinden? [...]

Zwei-Wochen-Einsätze für Leute, die unter Umständen noch nie in Afrika waren, geschweige denn, schon einmal „nur“ den normalen medizinischen Alltag dort erlebt hätten! Man hat sich neben dem Kulturschock an ein neues Klima zu gewöhnen, an eine fremde Sprache (waren wenigstens ausreichende Französischkenntnisse Aufnahmebedingung?), an fremdes Essen und an andere Bakterien-, Viren- und Parasitenstämme als daheim. Daß in Ruanda außerdem noch eine menschliche Katastrophe größtmöglichen Ausmaßes auf sie wartet, scheinen die bunten Bilder im Fernsehen nicht klargemacht zu haben.

Im eigenen Krankheitsfall wird natürlich eine europäische Betreuung erwartet. Das Essen muß ja nicht unbedingt wie zu Hause sein – man paßt sich schließlich an –, aber ausreichend und nahrhaft zumindest. Ganz zu schweigen von sauberem Trinkwasser. Eine gewisse Einarbeitungszeit ist vonnöten; wenigstens ein paar Tage sollte jeder Schützling einen bereits erfahrenen Helfer begleiten. So wird der Aufenthalt, für den, der es nervlich durchhält, ein Urlaub und Erlebnis ganz besonderer Art. [...]

Jeder Mediziner, der sich mit praktischer Entwicklungshilfe auseinandergesetzt hat, weiß, daß gerade Impfprogramme ganz vorzüglich von angelernten Einheimischen durchgeführt werden können, die neben dem überflüssigen Flugticket und Eingewöhnung auch noch den Sprachvorteil haben.

Stellen wir uns doch einmal vor, Care hätte von den willigen 6.000 das Geld für die Flugtickets eingesammelt, dafür einige, wenige Profis für solange nach Ruanda geschickt, wie deren Einsatz dort vonnöten ist und mit dem Rest des Geldes Medikamente und nötige technische Geräte gekauft. Wie, da wären die willigen 6.000 gar nicht zusammengekommen? Geht es ihnen etwa doch noch um etwas anderes, als daß den Menschen dort unten auf die bestmöglichste Weise geholfen wird? [...] Christiane Wolf, Berlin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen