■ Daumenkino
: Young Americans

Das Böse lauert in den Tekkno-Clubs von London. Zuckende Lichter, geweitete Pupillen und Pistolen am Hinterausgang. Fraser (Viggo Mortensen), ein amerikanischer Dealer, bildet für den Drogenkrieg Exekutionskommandos aus englischen Jugendlichen. Die „Young Americans“ fühlen sich cool und respektiert in der Gang. Jedes Versagen wird rituell geahndet: Fünf Schüsse in den Körper, einer in den Kopf. Leichen pflastern den Weg der bösen Buben. Die englische Polizei, korrupt und hilflos, versagt. So kann es nicht weitergehen – ein Retter muß her.

Zur Lösung der Misere wird Mr. Harris aus den USA importiert. Dort ist schließlich alles größer, das Böse noch böser, das Gute noch besser. Der Drogenspezialist ist – Mitmensch wie du und ich – nicht ohne Schrammen: Familienprobleme, Frau weg, Kinder auch weg. Nachts im Hotel führt Harris traurige Telefongespräche nach Übersee. Harvey Keitel spielt den „hochdekorierten“ Cop aus Los Angeles als Mittelding zwischen einsamem Wolf und desillusioniertem Superman. Mit brüchiger Stimme und Grübelfalte zwischen den Augenbrauen robbt Harris durch den Londoner Sumpf, umgeben von den müden Gesichtern überarbeiteter und unterbezahlter Kollegen, während die Gangster Brandfackeln in die Tanks vollbesetzter Polizeiwagen schmeißen.

Doch die Jugend ist nicht ganz verdorben. Chris, der im Club jobbt und all die Machenschaften der Dealer anhört, wird Harris helfen. Chris liebt seine Mama und außerdem ein farbiges Mädchen. Harris und Chris, so will es der familienfreundliche Regisseur, sind erstklassige Wahlverwandte. Da hat man seine Konflikte miteinander und ist auch mal enttäuscht voneinander, aber letztlich schauen guter Bulle und guter Junge auf dieselbe goldene Stadt. Stummes, trauriges Einvernehmen bei schwellenden Chören. Chris, the good son, erfüllt alle Projektionen von Übervater Harris. Das seltsam Priesterhafte an Harvey Keitels Mr. Harris paßt gut ins pittoresk ausgeleuchtete Elend der Sozialsiedlungen. Etwa so, wie ein auf Hausleinen gestickter Spruch in einen polierten Holzrahmen über den Küchenherd paßt.

Es sind so viele fade Prämissen, die dem „hochaktuellen Film noir für die MTV- Generation“ (Cinema) zugrunde liegen. Etwa: Tekkno verdirbt den Charakter; alles Übel und alle Erlösung vom Übel kommen aus der Neuen Welt. Dem Pathos der Bilder, düsteren Straßenszenen und golddurchfluteten City-Panoramen entspricht ein nicht minder pathetischer Soundtrack: Björk, Nine Inch Nails und Sheep on Drugs bejaulen die Apokalypse. Zum Schluß dann großes Finale mit Schießerei und ehrenwertem Alt- Gangster. Aber da schnarcht schon alles. Anke Westphal

„Young Americans“, Regie: Danny Cannon, mit Harvey Keitel, Thandy Newton, u.a., GB, 1993, 96 Min.