Der Druck auf Haiti wird noch verstärkt

■ UN-Generalsekretär erklärt friedliche Bemühungen für gescheitert / Keine konkrete Entscheidung über Intervention

New York/London/Port-au- Prince (AP/AFP) – Drei Jahre nach dem Militärputsch in Haiti bereitet die internationale Staatengemeinschaft eine Invasion zur Vertreibung der dortigen Machthaber vor. UNO-Generalsekretär Butros Ghali erklärte die Bemühungen um eine friedliche Lösung des Konflikts am Dienstag für gescheitert. Gleichzeitig beschlossen vier Karibikstaaten die Beteiligung an einer 10.000 Mann starken Interventionstruppe, die auch von Großbritannien unterstützt wird. Eine konkrete Entscheidung über eine Invasion, die in Washington getroffen wird, steht dem Vernehmen nach aber bisher aus.

Nach Beratungen mit den Mitgliedern des Sicherheitsrats sagte Ghali in New York: „Wir haben versucht, eine friedliche Umsetzung der Resolution Nr. 940 zu erreichen, aber wir sind nicht erfolgreich gewesen.“ Einer Entscheidung zur Invasion stehe damit nichts mehr im Wege. Der UNO- Generalsekretär hatte zuvor mit seinem Haiti-Gesandten Rolf Knutsson gesprochen, der mit der Militärjunta in Port-au-Prince über die Bedingungen ihres Rücktritts verhandeln sollte, von den Generälen aber nicht empfangen worden war.

Die am 31. Juli verabschiedete UNO-Resolution 940 fordert die Militärführung Haitis auf, die Macht an den im September 1991 gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide abzugeben. Zugleich wurden die UNO-Mitgliedsstaaten zur Anwendung von Gewalt ermächtigt.

Die Außenminister von Jamaika, Trinidad, Barbados und Belize sagten auf einem Treffen in Kingston, der Hauptstadt Jamaikas, ihre Beteiligung an der Bildung einer karibischen Interventionstruppe von 266 Mann zu. Guyana, die Bahamas und Antigua ließen es noch offen, ob sie sich ebenfalls anschließen wollen. Der Plan sieht vor, daß Landungstruppen der USA die Invasion beginnen, die karibischen Soldaten sollen ihnen folgen.

Der stellvertretende Verteidigungsminister der USA, John Deutch, sagte auf einer Pressekonferenz in Kingston: „Die Zeit zum Handeln ist gekommen. Niemand kann daran zweifeln, daß die multinationale Truppe nach Haiti gehen wird.“ Die USA würden sofort damit beginnen, die Truppen der beteiligten Karibikstaaten logistisch zu versorgen. In London teilte die britische Regierung gestern mit, sie werde der von den USA geführten Koalition gegen Haiti eine Fregatte, ein Versorgungsschiff und eine militärische Ausbildungseinheit zur Verfügung stellen.

In Regierungskreisen Washingtons hieß es, die Interventionstruppe werde rund zehntausend zumeist amerikanische Soldaten umfassen. Zur Zeit sei ein Befehl zum Beginn der Invasion aber noch nicht in Sicht. Die Regierung der USA setze vorerst weiter auf politischen und vor allem wirtschaftlichen Druck, um die Machthaber Haitis zum Einlenken zu zwingen. Dazu gehörten auch die Bemühungen um eine Unterbindung des Schmuggels zwischen der Dominikanischen Republik und Haiti, mit dem bisher die Sanktionen gegen die Machthaber in Port-au-Prince unterlaufen werden. So flog Deutch zusammen mit dem stellvertretenden Außenminister Strobe Talbott von Kingston in die Dominikanische Republik. Die beiden ließen sich dort von Oberst William McDonough, dem Kommandeur der internationalen Beobachtergruppe zur Überwachung des UNO-Embargos gegen Haiti, über die Lage an der haitianisch- dominikanischen Grenze unterrichten.

Im Falle einer Intervention würden der 10.000-Mann-Truppe der USA und ihrer Verbündeten rund 7.500 haitianische Berufssoldaten gegenüberstehen, von denen 3.250 in Port-au-Prince untergebracht sind. Die Armee verfügt über einige kleine Flugzeuge, sechs leichte Panzer und etwa ein Dutzend Schnellboote, von denen nur die Hälfte einsatzbereit ist – und damit über eine recht bescheidene Stärke. Allerdings könnten nach Einschätzung von Experten die haitianischen Soldaten durchaus die Aufgabe der Invasoren behindern, etwa durch Guerilla-Angriffe in den Städten. – Eine wenig berechenbare Größe sind paramilitärische Einheiten wie die berüchtigten „Tonton Macoutes“. Die „Freiwilligen für Nationale Sicherheit“, wie sie sich offiziell nennen, hatten Ende Mai 1994 ihre Neubildung angekündigt, um im Falle einer internationalen Militärintervention einzuschreiten. Die Tonton Macoutes waren Ende der fünfziger Jahre unter dem Diktator François Duvalier gegründet worden. Nach dem Sturz seines Sohnes Jean Claude Duvalier im Februar 1986 gab es noch etwa 30.000 Tonton Macoutes. Die Miliz war 1986 von der Regierung offiziell aufgelöst worden.