Sachsenhausen-Urteil kassiert

Der Bundesgerichtshof hebt den Freispruch gegen zwei Angeklagte auf, die am Brandanschlag gegen die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen beteiligt gewesen sein sollen  ■ Aus Berlin Annette Rogalla

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Freisprüche im Prozeß um den Brandanschlag auf die KZ- Gedenkstätte Sachsenhausen aufgehoben.

Das Bezirksgericht Potsdam hatte vor einem Jahr einen Heranwachsenden und einen erwachsenen Mann von dem Vorwurf freigesprochen, am 26. September 1992 zusammen mit anderen Mittätern, die unbekannt blieben, einen Brandanschlag auf die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen verübt zu haben. Damit blieb der weltweit mit Empörung aufgenommene Anschlag bislang unaufgeklärt. Der BGH gab die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts Potsdam zurück.

Im ersten Verfahren waren die Potsdamer Richter nicht von der Täterschaft der teilweise im Ermittlungsverfahren geständigen Angeklagten überzeugt. Thomas H., damals 22 Jahre alt, hatte sein umfassendes Geständnis direkt nach seiner Festnahme zurückgezogen. Er sei dabei von der Polizei unter Druck gesetzt worden, sagte er damals. Zudem sei er bei der ersten Vernehmung müde gewesen und hätte seine Ruhe haben wollen. Während der gesamten Verhandlung blieb er bei seiner Version, nichts mit der Tat zu tun zu haben.

Über den Geisteszustand des anderen Angeklagten, Ingo K., damals 19 Jahre alt, hatte das Gericht ein Gutachten erstellen lassen. Darin attestierten die Psychiater der Berliner Charité dem jungen Mann einen Intelligenzquotienten von 58. Sie bescheinigten Ingo K., „schwer schwachsinnig und debil zu sein“. Die Gutachter verwiesen darauf, daß Schwachsinnige im allgemeinen zu Phantastereien neigten. Im wesentlichen stützten sich die Richter damals bei ihrem Freispruch auf diese Expertise. Aber auch aufgrund der richterlichen Verhandlungsführung, die Kritiker als „schlampig“ beschrieben, geriet der Prozeß zu einem juristischen Desaster erster Klasse.

Dies will der BGH mit seiner gestrigen Entscheidung wettmachen. „Entstehung, Inhalt und Richtigkeit der früheren, in der Hauptverhandlung widerrufenen Geständnisse hätten umfassender geprüft werden müssen; die bisherigen Feststellungen schließen eine Beteiligung der Angeklagten nicht schlechthin aus“, heißt es in der gestrigen Urteilsbegründung.

Peter Fischer vom Zentralrat der Juden in Berlin begrüßte, daß das Verfahren neu aufgerollt wird. Nach der ersten vertanen Chance werden zwei Jahre nach der Tat die gleichen Fragen zu klären sein. Wer hat den Brand am 26. September 1992 in der Jüdischen Baracke gelegt? Damals sagten die Angeklagten, sie hätten ihn mit einem Molotowcocktail entfacht. Ein erst drei Tage nach dem Brand gefertigtes Gutachten war dagegen zu dem Schluß gekommen, daß der Brand durch ein offenes Feuer ausgelöst wurde, weil keine Glasreste von Flaschen nachgewiesen werden konnten.

Der Bundesgerichtshof bemängelte, daß dabei ein zweites Gutachten außer acht gelassen wurde, wonach die Brandflaschen durch Schmelzen zu einem „Rosteffekt“ hätten führen können. Beim ersten Prozeß in Potsdam wurden sechs Versionen der Tat dargelegt und widerrufen. Die Jugendkammer, die den Fall erneut verhandelt, hat keine leichte Aufgabe zu bewältigen.