Er kommt mit Lupe und Bürste und Rasierklinge...

■ Ein Hamburger Biologe ist Dendrochronologe und den alten Meistern ziemlich auf der Spur

War Rembrandt ein armer Schlucker? Einer, der sich zum Malen keine Eichenbretter leisten konnte und der sich deshalb aus Zucker- und Zigarrenkisten, die er am Hafen fand, Malbretter bastelte? So könnte es gewesen sein. Herausgefunden hat dies der Hamburger Holzbiologe Peter Klein. Klein beschäftigt sich mit Dendrochronologie, einer Wissenschaft, mit deren Hilfe festgestellt werden kann, wie alt ein Stück Holz ist.

Das hat schon zu bösen Überraschungen geführt. So besaß etwa das New Yorker Metropolitan Museum of Art Rogier van der Weydens Meisterwerk „Der Auferstandene erscheint seiner Mutter“ von 1445. Jedenfalls dachte das Museum, es besäße dieses Bild. Doch dann stellte Klein fest, daß der Baum, von dem der Holzgrund stammte, frühestens 1485 gefällt worden sein konnte. Klar, daß es sich nur um eine Kopie handelte.

Weltweit gibt es viele alte Gemälde, bei denen unklar ist, ob es sich um Originale handelt. Und da Klein bislang konkurrenzlos ist, ist sein Können weltweit gefragt. Oftmals laden die großen Museen und Galerien der Welt oder private Sammler ihn ein, damit er ein Kunstwerk datiert. Auch Musikinstrumente kann der Wissenschaftler zeitlich zuordnen. So mußte schon mancher, der in einer geerbten Geige das Schild „Stradivari“ gesehen und ein millionenschweres Erbstück gewittert hatte, ernüchtert hören, es handele sich um eine Geige aus dem Erzgebirge, die mit Fichtenholz des vorigen Jahrhunderts gemacht und höchstens dreihundert Mark Wert sei.

Die Vorgehensweise des Dendrochronologen ist eigentlich einfach. Er kommt mit Lupe, Bürste und Rasierklinge an den Ort, wo man seiner Dienste bedarf. Das Bild, dessen Alter bestimmt werden soll, dreht er um. Mit der Rasierklinge schabt Klein dann vorsichtig einen kleinen Teil der Holzmaserung frei und bürstet die Stelle sauber. Dann setzt er sich eine Lupe mit integrierter Skala auf. Auf Zehntelmillimeter genau kann er so die Breiten der Jahresringe im Holz bestimmen. Mindestens fünfzig Jahresringe mißt Klein aus und schreibt sich jeden Wert in eine Tabelle. Die Werte nimmt er dann mit in sein Institut und setzt sie grafisch in eine Kurve um.

Jeder Baum legt jährlich einen Jahrring an. Ob der Ring dick oder dünn wird, hängt vom Wetter ab. Die charakteristische Abfolge der Jahrringe gibt dem Kundigen Auskunft über Alter und Standort des Baumes. Was Klein am Bild im Kleinen tut, vergleicht er dann mit den großen Jahrring-Kurven für jede Region Europas, die bis zum frühen Mittelalter zurückreichen. Nur an einer einzigen Stelle wird er feststellen, daß die Kurven sich decken. Dann hat er das Rätsel um die Herkunft des Holzes gelöst.

Was es mit Rembrandt auf sich hatte: Einige von Rembrandts Bildern sind auf Tropenholz gemalt, meist Mahagoni, das im 17. Jahrhundert als Kistenholz verwendet wurde. Tropenholz legt keine Jahrringe an. An diesen Bildern versagt Kleins Methode: Wären die Werke nicht von Rembrandt beim Signieren auch datiert worden, man könnte ihr Alter nicht bestimmen. Nur warum der große Rembrandt dieses Holz verwendete, ist unklar.

Fatina Keilani, dpa