Eindeutig zweideutig

■ Wie nackt darf's denn sein? Arbeitgebers Pflichten wachsen beim neuen Gleichberechtigungsgesetz

Wann wollen Sie Kinder bekommen? Haben Sie schon mal am Arbeitsplatz geweint? Wie haben Sie bei sich zu Hause die Aufgaben verteilt? Na, liebe Leserin, siedet langsam Ihr Adrenalinspiegel? Mit gutem Recht, denn Fragen dieser Güte sind ab sofort unzulässig beim Bewerbungsgespräch. Von nun an heißt es bei diesen Seichtheiten: Verstoß gegen das zweite Gleichberechtigungsgesetz, Schadensersatz einfordern!

Und das, lieber Leser, gilt auch für Sie. Denn in der Neuauflage des seit 1. September geltenden „2. GleiBG“ sind ausdrücklich Frauen UND Männer angesprochen. Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, und zwar schon vorbeugend, ist jetzt Arbeitgeberpflicht: Stört Sie also das aufreizende Mannsbilder an der PC-Rückseite Ihrer Kollegin? Nicht zögern, erst recht nicht beim aufmunternden Händetätscheln der gefürchteten Abteilungsleiterin. Alles Fälle von Belästigung. Vorausgesetzt, Sie haben den Mut, sich zu beschweren.

„Das ist einer der Schwachpunkte des neuen Gesetzes“, bemängelt DAG-Frauenbeauftragte Eva Loll die Novelle, „ meist werden solche Vorfälle ja stillschweigend geregelt“. Klassisches Beispiel ihrer Beratungstätigkeit: der männliche Abteilungsleiter einer Großbank, der zwei weibliche Auszubildende extrem belästigt. Doch erst als er dreist den jungen Frauen unter die halblangen weiblichen Beinkleider faßt, haben die beiden genug vom Getatsche. Der Gang zum Chef und zum Betriebsrat brachte die Versetzung des Abteilungsleiters. Alles geschah ganz rücksichtsvoll und angeblich auf Bitten der beiden Geschädigten, ohne offene Konsequenzen für die Filiale.

„Sexuelle Belästigung ist bei uns ein selten angesprochenes Thema, weil es zur Tabu-Zone gehört“, ist vom DAG-Sorgentelefon zu hören. Die Frauenbeauftragte Eva Loll erklärt: „Wenn tatsächlich die arbeitsrechtlichen Konsequenzen wie Abmahnungen, Versetzungen oder gar Kündigungen verstärkt ausgesprochen werden, ist Geheimhaltung nicht möglich, da die Beschuldigten ja die Chance haben müssen, sich gegen die Vorwürfe zu wehren.“

Auch bei ungerechten Bewerbungssituationen ist der Arbeitnehmer, nicht der Arbeitgeber nachweispflichtig. Einfach ist dies, wenn nur Männer nach einer Stellenanzeige zum Gespräch eingeladen werden. Die Unterlagen kann der Betriebsrat einsehen. Doch bei den diffizilen Fragesituationen (“Wie gehen Sie mit Konflikten um?“) ist–s schwierig, weiß Eva Loll. Dagegen die Sachlage bei der Kinderfrage: „Ein Mann wird nun mal nicht schwanger, hat somit nicht zwingend Ausfallzeiten, will er Karriere machen, und kann freimütig antworten“.

Gelingt der Nachweis, hat der Arbeitgeber bis zu drei Monatsgehältern an die Geschädigten zu zahlen. Anzügliche Witze und warme Berührungen gehören also nicht auf die leichte Schulter genommen. Kommunikationsfördernd kann dagegen mal –ne innerbetriebliche Diskussion über die Posterfragen wirken, nach dem Motto: „Wie nackt darf–s denn sein?“.

Katrin Wienefeld