Kommentar
: Immer feste druff

■ Einsperren und Schlüssel wegwerfen?

Lange waren die Beschwörungsformeln der „immer brutaler werdenden Jugend“ konservativen Kreisen vorbehalten. Heute fürchten selbst Intellektuelle vom Schlage eines Hans-Magnus Enzensberger den „molekularen Bürgerkrieg“. Zahlen werden jongliert, Statistiken verbogen. Monsterkids werden konstruiert, auf Teufel komm raus. ExpertInnen sind sich einig, daß es sich dabei um Mythenbildung, um ein Wahrnehmungsproblem der Erwachsenen handelt. Was für Interessen stecken dahinter? Eine denkwürdige Allianz hat sich aufgetan: Die konservativen Parteien können von ihren Fehlern in der Sozialpolitik ablenken, haben Sündenböcke für Arbeits- und Wohnungslosigkeit, für zunehmende Verarmungs-, ja Verelendungserscheinungen bei Kindern und Jugendlichen. Doch selbst PädagogInnen und SozialarbeiterInnen setzen auf die Gewaltkarte, um Programme durchzupowern, finanzielle und personelle Forderungen zu begründen. Arbeitsplatzbeschaffung auf Kosten der Kids?

Nicht nur in Deutschland, auch andernorts wird der Ruf nach Zucht und Ordnung wieder lauter: Just in Holland, das bislang als das Land mit dem liberalsten Jugendstrafrecht Europas galt, wird auf die Einführung von Erziehungslagern diskutiert. Und muß es nicht nachdenklich machen, daß Schäuble seinen Ruf nach geschlossenen Heimen just in das Entsetzen der Rostocker Pogrome plazierte? Dora Hartmann