■ Zum Ende der 10. Runde der Klimaverhandlungen in Genf
: Verpaßte Chance

Die Fakten liegen auf dem Tisch: Wenn der Treibhauseffekt noch begrenzt werden soll, müssen die CO2-Emissionen reduziert werden. Zwar haben sich acht Industriestaaten, unter ihnen die Bundesrepublik, nationale Reduktionsziele gesetzt. Doch eine verbindliche Festlegung auf internationaler Ebene lehnen sie ab. Das haben nun die Genfer Verhandlungen zur Vorbereitung der Berliner Klima-Konferenz im kommenden Frühjahr klar gezeigt. Und was die selbstgesetzten Ziele betrifft, so handelt es sich nur um unverbindliche Absichtserklärungen, die von den Verkehrs- und Wirtschaftressorts dieser Länder immer deutlicher ignoriert werden.

Das wichtigste Ergebnis der Mega-Konferenz von Rio war die gemeinsame Feststellung, daß die Industrienationen eine Vorleistung bei der Reduzierung der CO2-Emissionen erbringen müssen, da sie die Hauptverursacher des Treibhauseffektes sind. Zwanzig Prozent der Weltbevölkerung verbrauchen achtzig Prozent der Ressourcen. In NRW fahren mehr Autos als auf dem ganzen afrikanischen Kontinent. Man kann international nicht dicke Backen machen, wenn man dies nicht angemessen in der eigenen Politik berücksichtigt. Die bislang erzielten sogenannten „Erfolge beim Klimaschutz“ in der Bundesrepublik sind ausschließlich auf die Wiedervereinigung und die (ungewollte!) Deindustrialisierung in Ostdeutschland zurückzuführen. Während die CO2-Emissionen im Osten seit 1987 um 47,3 Prozent gesunken sind, stiegen sie im Westen sogar um 2,1 Prozent an. Die Bundesregierung arbeitet am größten Straßenbauprogramm in der Geschichte der BRD und schafft außerdem in der Wirtschafts-, Energie- und Verkehrspolitik Fakten, die nach Beendigung der derzeitigen Rezession wieder steigende Emissionen erwarten lassen. In keinem Land der Welt klafft die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Klimaschutzpolitik so weit auseinander wie in der Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesregierung wird auch auf internationalem Parkett immer unglaubwürdiger.

Falls – was nun wahrscheinlich ist – bis zum 28. September, dem letzten Termin, kein Entwurf eines Zusatzprotokolls zur Klima-Konvention vorliegt, ist das Scheitern der ersten UN-Konferenz in Deutschland im März 1995 vorprogrammiert. Sie zu verschieben, wäre dann nur vernünftig. Man spart sich die Emission von Schadstoffen, die die Anreise von Diplomaten, Beobachtern und Journalisten mit sich bringt. Doch wichtiger noch: Eine Konferenz, die nur heiße Luft produziert und ohne Ergebnis endet, fördert die Resignation und die Gewöhnung an den Zustand, daß nur geredet, aber nicht gehandelt wird. Michaele Hustedt

Ökologie-Referentin beim Bundesvorstand von B'90/Die Grünen