■ Druck der Islamisten auf die Weltbevölkerungskonferenz
: Quittung für den Westen

Nach dem Rückzug Sudans, Saudi-Arabiens, des Libanon und nun der Absage der türkischen Ministerpräsidentin und der Regierungschefin Bangladeschs scheint die UN-Bevölkerungskonferenz in Kairo endgültig unter der Konfrontationslinie Islam gegen westliche Welt zu stehen. Und wer den Vatikan mit einbezieht, der gegen die „Abtreibungskonferenz“ von Kairo wettert, kommt schnell auf die Formel: Tradition gegen Moderne, religiöser Fanatismus gegen die Rationalität der Aufklärung. Der „Fundamentalismus“ und die „Bevölkerungsbombe“ als gleichermaßen bedrohliche Szenarien.

Im Vorfeld von Kairo gibt es ein Kreuz von Konflikten: Selbstbestimmung der Frauen gegen Fremdbestimmung, Anerkennung kultureller Unterschiede gegen universalistisches Gleichmachen. Der Diskurs der Bevölkerungspolitiker heißt heute: Frauenrechte stärken. Dies aber nicht als Wert an sich, sondern um das demographische Ziel durchzusetzen, die Geburtenrate zu verringern – im Süden, versteht sich. Gegen den Selbstbestimmungsdiskurs läuft der Vatikan Sturm, die angestrebte Reduzierung der Bevölkerung läßt die Islamisten den Endkampf des Westens gegen eine größere islamische Bevölkerung befürchten.

Nach den Werten der Aufklärung, wie sie im Westen verstanden wird, steht aber die freie Entscheidung der Frau im Mittelpunkt – in den entwickelten Gesellschaften. Denn der Universalismus der Aufklärung hat auch ein anderes Denken hervorgebracht: Wo nur im Westen die Ratio die gesellschaftliche Debatte bestimmt, da wird eben diese allen anderen Kulturen abgesprochen. Sie werden bestenfalls als Vorstufen des eigenen Entwicklungsstadiums begriffen. Und da muß dann der Norden nachhelfen – zum Beispiel mit bevölkerungspolitischen Programmen.

All das ist im Zusammenhang mit den sich vermehrenden Absagen zur Kairoer Konferenz zu bedenken. Der bevölkerungspolitische Diskurs des Westens ist ja deshalb so leicht für die Ziele islamistischer Radikaler umzudrehen, weil er sich scheinbar rational globalen Problemen stellt, darin aber völlig unglaubwürdig ist. Denn wo die Verwirklichung auch nur der geringsten Ziele der Umweltkonferenz von Rio auf sich warten läßt, da müssen die auf unmittelbare Umsetzung abzielenden Aktivitäten der Bevölkerungspolitiker auf Mißtrauen stoßen. Die wechselnden Begründungen der Bevölkerungpolitik tragen ihr übriges dazu bei. Einst sollte der Hunger bekämpft werden, jetzt die Umweltzerstörung. An den ökonomischen Bedingungen aber, die zu Umweltzerstörung und ungleicher Entwicklung führen, soll nichts geändert werden. Die unter islamistischem Druck erfolgten Absagen sind die Quittung. Kairo verspricht, zu einer tragischen Veranstaltung zu werden. Bernd Pickert