Steuern abzocken leichter gemacht

■ Finanzminister Waigel schlägt Steuervereinfachungen vor: Weniger Papierkrieg, höhere Freibeträge / Oskar Lafontaine (SPD): Kosmetik und Wahlversprechen

Bonn (dpa/taz) – Steuerzahler sollen künftig statt der komplizierten jährlichen Steuererklärung mit vielen Einzelnachweisen eine Kurzveranlagung mit einem oder zwei Vordruckblättern wählen können. Wer, von Steuererklärungen entnervt, nicht jede abzugsfähige Mark vom Fiskus wiederholen will, erhält dann einen Sonderfreibetrag von 1.200 Mark für Ledige und 2.400 Mark für Verheiratete, um Sonderausgaben und außerordentliche Belastungen steuerlich abzusetzen. Als dritte neue Möglichkeit bleibt eine Steuererklärung für zwei Jahre. Das sieht ein 20-Punkte-Plan zur Steuervereinfachung ab 1996 vor, den Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) gestern vorlegte.

Neben höheren Steuerpauschalen im Bereich von Ausbildung und Pflegediensten sollen insbesondere auch die zehn Pauschsätze für Dienstreisen auf zwei verkürzt werden: und zwar auf 20 Mark bei eintägigen Dienstreisen und 46 Mark täglich bei mehrtägigen. Waigel bekräftigte seinen umstrittenen Plan, den Häuslebau-Paragraphen 10e abzuschaffen und statt dessen im gleichen Umfang einen Schuldzinsenabzug (für die Kreditkosten, also nicht mehr für die gesamten Baukosten) einzuführen.

Der Minister will Anfang nächsten Jahres über das Gesetzespaket mit den Länderfinanzministern reden, die ebenfalls für den Schuldzinsenabzug eintreten. Waigel bekräftigte die Absicht, die Steuervereinfachung zum 1. Januar 1996 zusammen mit dem steuerfreien Existenzminimum und dem Familienlastenausgleich zu einem „Jahressteuergesetz“ zu machen. Die angekündigten 15 Milliarden Mark seien für das allgemeine steuerfreie Existenzminimum ausreichend. Eine zweite Stufe sei dann nicht mehr erforderlich.

Scharfe Kritik kam von SPD-Finanzsprecher Oskar Lafontaine. Waigels Ankündigungen seien Kosmetik und Wahlversprechen. Die SPD wolle dagegen Steuervereinfachung und mehr soziale Gerechtigkeit durch die Abschaffung des Solidarzuschlags und des Kinderfreibetrags bei Schaffung eines einheitlichen Kindergeldes von 250 Mark sowie die Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums auf 13.000/26.000 Mark erreichen.

Die CDU-Sozialausschüsse forderten eine massive steuerliche Besserstellung der Familien mit Kindern. Kinder- und Erziehungsgeld seien wie die Freibeträge mit der Preisentwicklung zu dynamisieren. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Kurt Faltlhauser, unterstützte Waigels Vorschläge. Die SPD plane unter dem Deckmantel der Steuervereinfachung massive Steuererhöhungen.