Abschiebung ins Jenseits

■ Nigerianer starb vor Abschiebung an einer Beruhigungsinjektion / Staatsanwaltschaft ermittelt

Frankfurt (taz) – Seit gestern ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft wegen des plötzlichen Todes eines Asylbewerbers. Der Verdacht der Strafverfolger lautet auf fahrlässige Tötung und richtet sich gegen einen Arzt, der dem Nigerianer kurz vor dessen Abschiebung auf dem Frankfurter Flughafen eine Betäubungsspritze verabreicht hatte. Der Mann war noch vor dem Start an Bord einer Lufthansa-Maschine auf dem Rollfeld des Rhein-Main- Flughafens gestorben. Er sollte aus Kaiserslautern nach Lagos abgeschoben werden.

Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS) hatten ihm Handschellen angelegt und ihn mit Gewalt in das Flugzeug geschafft. Der Mann hatte sich über die ihm drohende Abschiebung sehr aufgeregt und sich gewehrt. Ein Arzt, der ihn auf dem Flug bis in die nigerianische Hauptstadt begleiten sollte, hatte ihm ein Beruhigungs- oder Betäubungsmittel gespritzt. Der BGS beschrieb das Verhalten des Verstorbenen gegenüber der Staatsanwaltschaft als „Tobsuchtsanfall“. Die teilte inzwischen mit, der Mann habe die Injektion gegen 14 Uhr bekommen, 20 Minuten später sei der Notarzt gerufen worden, der um 14.25 Uhr nur noch den Tod feststellen konnte.

Der Obduktionsbefund wurde, so die Staatsanwaltschaft, „ausnahmsweise“ veröffentlicht, um „unterschiedlichen Gerüchten entgegenzutreten“. Er ergab eine Vergrößerung des Herzens „über das sogenannte kritische Herzgewicht“ hinaus, Narben am Herzmuskel, „die auf alte Entzündungen schließen lassen“, und chronische und akute Kreislaufschwäche. Der Mann, stellt der Bericht lakonisch fest, hätte auch jederzeit ohne die Aufregung der Abschiebung „den plötzlichen Tod aus natürlicher Ursache“ sterben können. Die Untersuchungsergebnisse über das gespritzte Medikament werden, erklärte Oberstaatsanwältin Hildegard Becker- Toussaint, vorerst noch nicht bekanntgegeben: „Möglicherweise ist es nicht nur eines gewesen.“ Sie wollte auch den Namen des Verstorbenen „zum Schutz von dessen Person“ nicht nennen.

Die Grünen im Landtag forderten gestern die rückhaltlose Aufklärung der Todesumstände. Sie kritisierten auch die „de facto Nachrichtensperre“: „Wir wollen umgehend wissen, warum der Tod des Nigerianers zunächst verschwiegen wurde ...“ Sie richteten ein Ersuchen um Auskunft an das hessische Justizministerium. Eigentlich zuständig für den Fall sind allerdings die Behörden in Rheinland-Pfalz. Diese ließen den Mann aus Kaiserslautern nach Frankfurt bringen, wo er dem BGS übergeben wurde. Der Mann war schon mehrfach an den Flughafen gebracht worden, hatte sich aber jedes Mal bis zur Transportunfähigkeit gewehrt. Laut Bundesgrenzschutz war er schon einmal in Lagos zwangsgelandet worden, hatte dort aber seine Rückschiebung nach Deutschland erreicht, weil er angab, aus einem anderen afrikanischen Land zu stammen. Im rheinland-pfälzischen Innenministerium war gestern nach Auskunft der Pressesprecherin Gunhild Weihe von der Gröben über den Fall „noch nichts bekannt“. Das, so Insider, erhärte den Verdacht, daß der BGS „das eigentlich vertuschen wollte“.

Daniel Cohn-Bendit vom Frankfurter Amt für multikulturelle Angelegenheiten nannte die dramatischen Vorgänge während dieser Abschiebung wie Fesselung, Tobsuchtsanfall, Injektion und den schließlichen Tod „absolut unerträglich und schockierend“. Heide Platen