Nagel-Probe für den Erhalt des Tacheles

■ Saudischer Scheich möchte das Grundstück, aber kein Tacheles / Bausenator Nagel will ein solches Projekt verhindern

Um die Sicherung des Kunst- und Kulturhauses „Tacheles“ kämpft jetzt auch Bausenator Wolfgang Nagel (SPD). „Das Tacheles“, forderte der Senator in bislang ungewohnter Deutlichkeit, „muß unbedingt erhalten werden.“

Hintergrund der Nagel-Äußerung ist ein neues Investorenangebot für das Tacheles-Gelände an der Oranienburger Straße. Am vergangenen Wochenende war bekannt geworden, daß eine Schweizer Finanzholding namens ASSCA bereit sei, das Angebot des bislang aussichtsreichsten Bewerbers Fundus um mehr als 90 Millionen Mark zu überbieten. Traumhafte 210 Millionen Mark ist der ASSCA, hinter der auch der milliardenschwere saudische Scheich Al Walid Ben Talal Ben Abdelasis Al Saud stecken soll, das Gelände zwischen Friedrich- und Oranienburger Straße wert.

Der Kölner Fundus-Fonds, einer der größten Immobilienanleger in Berlin, hatte, nachdem zu Beginn des Jahres der schwedische Skanska-Konzern vom Tacheles- Projekt abgesprungen war, bislang 120 Millionen Mark geboten. 90 Millionen Unterschied, die entscheidend sein können: Während Fundus mit den Tacheles-Betreibern weitgehend einig geworden ist, äußerte ASSCA-Vertreter Werner Hastenrat gegenüber der Presse, daß „der Dreckshaufen“ langfristig weg müsse. Zwar bezeichnete Nagel das Angebot der ASSCA als „totale Luftnummer“. Für den Fall aber, daß die Firma von der für den Verkauf zuständigen Oberfinanzdirektion des Bundes (OFD) den Zuschlag erhalten sollte, kündigte Nagel an, planungsrechtlich alles daransetzen zu wollen, „damit das Projekt des Scheichs nicht zum Zuge kommt“.

Womöglich muß der Bausenator seine Ankündigung bald wahr machen. Gegenüber der taz verriet der Sprecher der OFD, Helmuth John, daß die ASSCA in der Ausschreibung weit vorne liege und zusammen mit Fundus zu „den beiden aussichtsreichsten Bewerbern“ gehöre. Um fehlende Finanzierungsunterlagen nachzureichen, habe die OFD die Ausschreibung zuletzt bis zum 16. September verlängert. Dann soll eine endgültige Entscheidung fallen. Der Erhalt des Tacheles spielt dabei offenbar keine Rolle. Seine Behörde, wiederholte John, habe den Auftrag, Grundstücke zu verkaufen und nicht, Kulturpolitik zu betreiben. Wenn der Senat das Tacheles erhalten wolle, müßten entsprechende Mittel aus dem Landeshaushalt bereitgestellt werden. Dann, so John, „müßte aber der gesamten Off-Szene das Geld weggenommen und weitere Theater geschlossen werden“.

Der Countdown für Berlins berühmteste Off-Meile läuft also. Aufgeschreckt vom Märchen aus Tausendundeiner Nacht, das sich bald als Alptraum erweisen könnte, erklärte sich das Tacheles „mit sofortiger Wirkung als unverkäufliches Gesamtkunstwerk“ und erinnerte an die Willenserklärung des Abgeordnetenhauses, das Kunsthaus in die Gesamtbebauung des Geländes zu integrieren. „Falls die Blöcke ohne Prüfung der stadtplanerischen Leitlinien und immateriellen Gewinne für die Stadt meistbietend verscherbelt werden“, drohte Tacheles-Sprecher Jochen Sandig, „bahnt sich ein politischer Skandal an.“

Den zu verhindern ist auch das Anliegen von Kultursenator Roloff-Momin. „Schulter an Schulter mit dem Tacheles“, ließ er über seinen Referenten wissen, wolle man sich dafür einsetzen, „daß diese wichtige Kultureinrichtung erhalten wird.“ Berliner Kultur statt Bonner Finanzen? „Wenn sich die beiden zuständigen Senatoren für das Tacheles einsetzen“, versicherte Senatssprecher Eduard Heußen, „ist das auch die Meinung des Senats.“ Uwe Rada