Aug' in Aug' mit dem Großwild

Tragen Jagd- oder Fotosafaris zum Schutz von Nationalparks bei?  ■ Von Evelyn Gustedt und Bernhard Müller

Die Hauptattraktion ostafrikanischer Länder ist die Tierwelt. Sie zieht zwei sehr unterschiedliche Personengruppen an: Fototouristen und Jagdtouristen. Man fragt sich, was die schießwütigen Großwildjäger mit Ökotouristen gemein haben sollen und ob ausgerechnet sie einen Beitrag zum Erhalt dieser großartigen Tierwelt und ihrer Lebensräume leisten können. Ist das nicht eher vom ruhigen Betrachter, dem Fototouristen, zu erwarten, der darüber hinaus sicher auch die Natur weniger beeinträchtigt?

Neugierig geworden, verfolgen wir die Spuren beider Gruppen in Tansania, wo – im Gegensatz zum nördlichen Nachbarn Kenia – die Großwildjagd erlaubt ist. Mit dem Flugzeug geht es zunächst bis Daressalam. Von Daressalam geht's weiter zum „Northern Circuit“, der Attraktion im Norden des Landes. Entweder fliegt man dorthin mit einer von zwei vorhandenen Maschinen der Tansania Airways zum Kilimanjaro Airport, oder man begibt sich auf größtenteils holprigen Straßen in einer Tagestour nach Arusha, Ausgangsort für den Besuch von Ngorongoro, Lake Manyara und Serengeti, oder nach Moshi, dem Tor zum Kilimanjaro oder Mount Meru. Richtig abenteuerlich wird es aber erst in einem der technisch wenig Vertrauen erweckenden, ungeheure Mengen von Öl und Benzin oder Diesel verschluckenden Fahrzeuge, die man mit Fahrer in Arusha an jeder Ecke zur Weiterfahrt in die Nationalparks anmieten kann.

Arusha ist 1961 bekannt geworden, als mit der Arusha-Erklärung zum Schutz der Wildtiere der Grundstein für den Naturschutz in Afrika gelegt wurde. Seither hat sich diese Stadt fast zu einem Basislager für den Besuch der Nationalparks entwickelt. Arusha ist auch internationales Tagungszentrum in Zusammenhang mit Fragen des Naturschutzes und der nachhaltigen Entwicklung.

Wir gehen zunächst auf Fotosafari und besteigen einen der zwölf Wagen, die im Konvoi die Wildnis erobern. Meist äugen bis zu sechs hochgerüstete Fotojäger aus dem aufklappbaren Verdeck, auf der Suche nach unvergeßlichen Motiven. Nur ein kurzer Teil der Strecke von Arusha zum Ngorongoro ist asphaltiert. Entlang der Strecke zeigen sich die soziokulturellen und ökologischen Belastungen, die der Strom von Fototouristen verursacht. Die Umweltschäden werden am deutlichsten auf der völlig ausgefahrenen Straße. Das Bemühen jeden Fahrers, seinen Kunden eine möglichst ruhige Fahrt zu bieten, bei der sie nicht ständig mit dem Kopf anstoßen, läßt sie rechts und links der ursprünglichen Wegstrecke immer neue Fahrspuren suchen. Dadurch wird die Vegetationsdecke zerstört und der Erosion Angriffsfläche geboten. 30 bis 50 Zentimeter tiefe Rinnen sind auf dieser Strecke keine Seltenheit. Das freundliche und auf die Weißen neugierige Winken und Rufen der Kinder am Straßenrand weicht zunehmend einem Betteln um Geld. Neben der Straße findet man alle paar Kilometer einen überdimensioniert erscheinenden Souvenirladen. In dem einzigen größeren Dorf, das direkt auf der Strecke liegt, breiten sich Fünf-US-Dollar-Übernachtungsgelegenheiten aus.

In den berühmten Nationalparks stören die Touristen die Tiere nachhaltig. Unterbezahlte Touristenführer und -fahrer werden bestochen, um von den vorgeschriebenen Wegen abzuweichen. So kann man doch noch den Exklusivblick auf den Leoparden oder Löwen erhaschen, statt mit zehn, zwölf Wagen im Konvoi einen einzelnen Löwen zu beäugen und (mit der Kamera) abzuschießen. Am nächsten Wasserloch trifft man sich nach kurzer Zeit wieder, um die nächsten Attraktionen vor die Linse zu bekommen. So entsteht in den Parks ein Netz „wilder“ Fahrspuren, die Störungen der Tiere und Bodenverdichtungen zur Folge haben. Weil der Staat an wachsenden Deviseneinkünften durch den Tourismus interessiert ist, wird der Bau weiterer Lodges, zum Beispiel am Kraterrand des Ngorongoro, genehmigt.

Wegen geringer infrastruktureller Ausstattung ist der sogenannte „Southern Circuit“ weniger frequentiert. Er umfaßt das riesige, mit der Landesfläche der Schweiz vergleichbare und vornehmlich für Jagdtouristen nutzbare Selous- Wildreservat sowie den benachbarten Mikumi-Nationalpark und den Ruaha-Nationalpark. Wie die meisten Touristen fliegen wir in geringer Flughöhe über die Landschaft des Selous mit dichten Miombowäldern, offenem Grasland und Galeriewäldern entlang dem schlammroten Rufiji-Fluß. Einzelne Elefanten sind gut erkennbar. Trotz der ökologischen Fragwürdigkeit des Fliegens wird dadurch ein unkontrolliertes Herumfahren der Touristen verhindert. Ohne die zum Camp gehörenden Fahrzeuge und die zum Teil firmeneigenen Flugzeuge kann sich eigentlich niemand weit von den Camps entfernen. So ist eine Trennung der für das Wild notwendigen absoluten Ruhezonen von den touristisch genutzten Bereichen möglich.

Auch die Jagdtouristen werden fast ausnahmslos in ihre Zielgebiete eingeflogen, da jeder Tag im wahrsten Sinne des Wortes kostbar ist. Zwischen zirka 6.000 und 50.000 US-Dollar zahlt der Großwildjäger für eine solche Reise. Der Preis und auch die Dauer zwischen 7 und 21 Tagen wird bestimmt durch die Art der Tiere, die man erlegen möchte.

Anders als manche Fototouristen sind die Großwildjäger sehr viel mehr an dem Kontakt zur „Natur pur“ interessiert. Sie können sogar zum Naturschutz beitragen. Einerseits unterstützen sie die Naturschutzbehörde bei den für eine Bestandspflege der Schutzgebiete notwendigen Abschüssen überzähliger Tiere. Allerdings kann dies nur bei Einhaltung jagdethischer Praktiken gelingen. Kontrolle – ob von staatlicher Seite oder von Berufsvereinigungen – ist hier notwendig. Im übrigen haben die Abschüsse auch für die Dorfbevölkerung zunehmende Bedeutung, da durch sie die Fleischversorgung in den Dörfern verbessert werden kann.

Andererseits sind die Jagdtouristen von den Naturschutzbehörden oft gern gesehene Gäste, da sie – aufgrund staatlicher Jagdgebühren – zumindest teilweise die finanziellen Mittel für die Naturschutzarbeit liefern. Außerdem treten sie immer in geringer Zahl auf. Der Gruppe der Jäger muß man zugute halten, daß sie nie in großen Gruppen oder gar Massen auftreten. Die Verteilung der derzeit etwa 130 Jagdblocks im ganzen Land führt darüber hinaus zu einer gleichmäßigeren Verteilung der Jagdtouristen. Der Großwildjäger zieht es außerdem vor, bei ausreichend gefülltem Geldbeutel, allein auf die Pirsch zu gehen. Die Gruppen sind ansonsten maximal vier Personen stark. Ihre Basiscamps, von denen aus die Pirsch erfolgt, werden nach jeder Saison – je nach Regenzeiten drei bis sechs Monate lang – wieder abgebaut.

Jagdtouristen benötigen ein Service-Team von zwölf bis fünfzehn Personen. Dies schafft Arbeitsplätze. Unverzichtbar ist darunter das Fachpersonal wie Berufsjäger, Fährtensucher und Personen, die die Präparierung der Trophäen und die Zerlegung des Fleisches vornehmen. Da es in Tansania noch an Ausbildungsprogrammen und -stätten mangelt, entpuppt sich manch eine Großwildjagd im rassistischen Sinne des Wortes zu einem Teil der „Weißen-Industrie“. Weiße Berufsjäger werden vom Kunden schon aus dem Heimatland mitgebracht, oder man vertraut lieber auf die weißen Jäger aus Südafrika, Kenia, Simbabwe und anderen Ländern Ost- und Südafrikas.

Im übrigen gibt es auch unter den Großwildjägern schwarze Schafe, die es sich etwas kosten lassen, durch Bestechung der staatlich bestellten Führer dem Waidglück nachzuhelfen. Zukünftig wird sicherlich noch viel Zusammenarbeit mit den Jagdveranstaltern und ihren Kunden, aber auch deren Kontrolle, notwendig sein, damit aus dieser „Freizeitbeschäftigung“ eine nachhaltige Unterstützung der Bevölkerung werden kann.

Doch zum Ökotourismus gehört mehr als nur ein umweltbewußt handelndes Individuum. Selbst dem Umweltbewußtesten treten häufig widrige Rahmenbedingungen entgegen. Für Preise, die bei einer 16 bis 21 Tage dauernden Fotosafari mit Leichtigkeit die 10.000-DM-Grenze erreichen oder gar überschreiten, muß man damit rechnen, in Camps oder Lodges untergebracht zu werden, die zum Beispiel ihren Abfall nur einige Meter entfernt – meistens nahe an den Hütten der Angestellten plaziert – in einfachen Erdgruben vergraben. So wird jedes Jahr eine neue Grube ausgehoben, die sich vor allem mit einem erheblichen Anteil an Plastikwasserflaschen und Getränkedosen, aber auch mit organischen Abfällen anfüllt. Meistens rattert unweit von diesen Plätzen ein dieselbetriebener Stromgenerator etwa 8 bis 14 Stunden am Tag munter vor sich hin. Auch die Aufbewahrung der Dieselfässer mutet recht abenteuerlich an, und das Erdreich um den Generator und die Fässer herum sieht aus wie ein mit Öl getränkter Schwamm.

Von dem vielen Geld, das sowohl die Fototouristen und mehr noch die Jagdtouristen zahlen, wird von den Veranstaltern offensichtlich wenig in Umweltschutz reinvestiert. Es bleibt auch nicht viel in der Region, obgleich dem Staat insbesondere von den Jagdtouristen durch die Erhebung der bereits erwähnten Gebühren erhebliche Deviseneinnahmen zufließen. Eigene Einkommensquellen können sich die Dorfbewohner jedoch nur selten erschließen. Denn dort, wo sich die Touristen vornehmlich aufhalten – in den Nationalparks und Wildreservaten –, ist die Besiedlung durch die Einheimischen nicht gestattet. Die Arbeitsplätze in den Camps und Lodges sind relativ begrenzt, und häufig fehlt den Arbeitskräften aus der Region die notwendige Ausbildung, um für die anfallenden Tätigkeiten geeignet zu sein. Einige Reiseveranstalter – sowohl von Jagd- als auch von Fotosafaris – haben jedoch erkannt, wie notwendig die Akzeptanz der Schutzgebiete durch die Bevölkerung ist. Sie beginnen Gemeinden zu unterstützen, und versuchen ihre Kunden aufzuklären. Eine Auseinandersetzung mit den Angeboten der Reiseveranstalter sollte also in jedem Fall einer Reise in die exotische Wildnis vorausgehen.