piwik no script img

■ Vorschlag für einen realistischen Blick Richtung OstenWestpartei PDS

Was macht die PDS so unansehnlich, ja verdächtig? Ganz einfach: Es ist die Dreieinigkeit von Ostpartei (Separatisten!), Regionalpartei (Provinzler!) und Spätkommunismus (Ewiggestrige!). Doch vielleicht ist das alles nur ein Irrtum oder weniger als das – eine Frage des Blickwinkels? Von den Spiegeleffekten deutscher Zweistaatigkeit hatte Ulrich Beck einmal gesprochen. An die vierzig Jahre lang repräsentierte jeder der deutschen Gegenstaaten für den anderen, was in ihm verboten, unterdrückt oder zumindest politisch anrüchig war. Im vereinigten Deutschland scheinen der PDS solche Spiegeleffekte zuzuwachsen.

Nichts ist „westlicher“ und aktueller als jenes Krisenprodukt des ostdeutschen Wählermarktes. Die PDS ist Erzeugnis einer Vereinigungskrise, Ausdruck mehr als Urheber oder Subjekt. Sie ist Symptomträger eines binnendeutschen Zustandes, nur hat das die andere Hälfte (die drei Viertel ausmacht) noch nicht bemerkt. Kurzum, sie ist Teil jenes Problems, dessen Lösungsangebote im Westen der Republik modelliert und propagiert wurden. Ein Ostprodukt par excellence? Altpartei? Nichts wäre unzutreffender gegenüber einer politischen Formation, die, wenn sie nicht ihre Existenz, so doch ihren beachtlichen Einfluß den akuten Problemlagen verdankt und dabei weniger auf Stammwähler von gestern zurückgreifen kann, als es das westdeutsche Vorurteil wahrhaben will. Die Gemengelage aus einer unsicheren Perspektive und einer politischen Vertretungslücke macht diese Partei zum neudeutschen Spiegel – weniger Altlast als Partei einer diffusen Gegenwart. Bevor sie noch die Integration der beiden Staatshälften erschweren kann, ist sie erst einmal Produkt einer schwierigen und erschwerten Integration.

Das alles ist weder Freibrief noch Alibi. Nur ein Plädoyer dafür, die PDS ganz nüchtern als das wahrzunehmen, was sie ist: ein funktionales Element des neudeutschen Spannungsbogens, die Lückenpartei einer speziellen historischen und sozialen Konstellation. Wenn es sie nicht gäbe, man müßte sie erfinden! Ganz unfreiwillig, aber hochwillkommen ist diese Partei nämlich zu einem der letzten Druckposten des überkommenen westdeutschen Parteienarrangements geworden. Wer sonst könnte heute noch so gut herhalten, um das gute alte ABC der politischen Verhaltenslehre am Leben zu erhalten? Was ihr da an „Oppositionsmonopol“ oder „Verhinderungsmacht“ in den Schoß fällt, spiegelt nichts anderes als den Politikverzicht des westdeutsch dominierten Parteienkartells. Aber Spiegelungen verschwinden nicht, wenn man die Augen schließt. Die PDS – eine ostdeutsche Regionalpartei? Das muß sie erst noch werden. Klaus Naumann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen