Ein familiäres „Au Revoir“

■ „Irma la Douce“, die letzte Premiere in der kleinen komödie

Daß man als Theaterbesucher auf den Beginn eines Stückes wartet, während der Bühnenbildner – vor den verblüfften Augen des Publikums – sein Werk vollendet, gehört eigentlich ins Reich der Schülertheater und Amateurproduktionen. Tatsächlich spielte sich diese Szene jedoch am Donnerstag in der kleinen komödie anläßlich der Premiere des Musicals Irma La Douce ab. Wen das stört – bitte, aber in Peter Ahrweilers kleiner komödie gehören derartige „Ausrutscher“ zur familiären Atmosphäre. Sicher, die eine oder andere Panne ist unübersehbar, doch gibt dieser Hauch Dilettantismus den Aufführungen in dem traditionsreichen Boulevardtheater den liebenswerten Charme, der den Mega-Musical-Inszenierungen fehlt.

Wenn der achtzigjährige Ahrweiler mit gekünstelt-französischem Akzent die Geschichte der berühmten Pariser Dirne ins Parkett nuschelt, fühlt sich das Volk angesprochen. Erst recht, wenn er es – ganz volkstümlich – miteinbezieht (“Essen sie ruhig weiter, Madame“). Mit brüchiger Stimme zäh gegen die Musik ankämpfend, erzählt er von Irma, Nestor, Monsieur Oscar und dem Leben in der ,Großen Mausefalle'.

Tanja Rübke als betörend-dralle Irma und Stefan Blome in der Doppelrolle Nestor/Oscar sorgen mit ihrer niedlichen Darstellung der verzwickten Beziehungskiste dafür, daß das Stück nicht vollends zur Klamotte verkommt. Ganz ernst nehmen tut es sich ohnehin nicht, was die – peinlich aufgesetzten – Anspielungen auf Thommy Gottschalk, John Neumeier und unsere Schwimm-Franzi beweisen.

Passend dagegen der Seitenhieb auf Häuser-Hecht Schneider, dessen Pleite maßgeblich dafür sorgte, daß Irma La Douce die letzte Produktion der kleinen komödie ist. Vielleicht ein Grund, warum sich in die allgemeine Begeisterung auch eine Spur Wehmut mischt: möge sich der schmuddelig-plüschige Vorhang noch oft heben. Er wird es aber nach dem 31. Dezember definitiv nicht mehr tun.

Andreas Dey