Eselhaftige Halshaltung schlecht für Verkauf

■ Pferdemarkt in Bruchhausen-Vilsen mit langer Tradition / Geschichten aus der Kreisliga der Pferde

„Guck mal der hier, geschwollene Gelenke und hinten ganz aufgescheuert, mehr als ein gutes Schaschlik wird da nicht mehr draus.“ Noch ist das Schaschlik ein Pferd, sogar ein ziemlich großes, aber seine Zukunft scheint nach dem harten Urteil auf tragische Weise unsicher. Rechts und links stehen LeidensgenossInnen, vorne und hinten drängen die Zweibeiner.

Der Pferdemarkt des Brokser Heiratsmarktes findet alljährlich Ende August statt. Das Gelände, ein Geviert halb so groß wie ein Fußballfeld, ist bereits um acht Uhr proppenvoll. Auffallend sind die vielen jungen Mädchen mit Pferdeschwanz und Immenhof-Blick. Vorsichtig fachsimpelnd werden Hufe betrachtet und Hälse getätschelt, ganz wichtig auch die Augendiagnose.

Wer auf dem Brokser Heiratsmarkt zum Verkauf angeboten wird, gehört nicht in die erste Pferdeklasse, auch nicht unbedingt in die zweite. Hier finden die InteressentInnen eher was aus den Abteilungen „jung und unerfahren“ oder „alt und verdient“. Schaschlik gehört definitiv zu letzterer.

Der Pferdemarkt in Bruchhausen-Vilsen findet jedes Jahr am Dienstag nach Bartholomäus statt und hieß deswegen früher auch Bartholomäus Markt. Seit dem letzten Jahrhundert hat sich allerdings die Bezeichnung „Brokser Heiratsmarkt“ durchgesetzt, weil die Leute in erster Linie zum Markt gehen, um ein passendes Männlein oder Weiblein zu finden. Urkundlich nachgewiesen ist der Markt seit 1695, damals hatte Herzog Georg Wilhelm Sorge, daß alle guten Pferde ins Ausland verkauft würden, zum Beispiel nach Preußen und erließ ein befristetes „Exportverbot“ für junge Füllen. Falls aber seine „Unterthanen einige Füllen zu verkaufen genöhtiget werden“, so durften sie dies nur auf dem Bruchhausener Bartholomäus Markt. Dort standen Experten bereit, die die guten Pferde aussortierten, um sie im Lande zu behalten, und die minderwertigen zum Verkauf freigaben.

Nach Auskunft einiger Händler hat sich daran bis heute nichts geändert. „Die Hälfte ist Schrott und gehört auf den Schlachthof“, sagt einer, der sich als Hobby-Händler bezeichnet. Die Amtstierärztin Nicolin Niebuhr sieht das etwas anders: „Das ist ein freier Markt, zu dem jeder kommen kann, und keine Rassetierveranstaltung. Hier werden in erster Linie Freizeitpferde verkauft, das sind zum Teil gute Tiere, die nur nicht mehr zur Zucht taugen.“ Sie war mit zwei KollegInnen auf dem Markt, um sicherzustellen, daß dem Tierschutz Genüge getan wird und nicht verletzte oder abgemagerte Tiere verkauft werden. Dieses Jahr war aus tierärtzlicher Sicht alles in Ordnung.

Einige der Händler haben besonders die Sinti im Verdacht, kranke Pferde zu verkaufen. „Die kommen immer erst, wenn die Tierärzte weg sind, das machen die doch jedes Jahr so“, sagt einer, der seinen Namen nicht nennen will. „Das stimmt nicht“, sagt Tieräztin Niebuhr „wir haben die Pferde untersucht, die sind gesund.“ Daß die Mähne nicht aus ästhetischen Gründen eingeflochten wird, sondern um zu verdecken, daß das Tier Räude hat, mag richtig sein sagt sie, aber dabei handelt es sich um eine Milbenerkrankung, die leicht zu behandeln ist und in den besten Familien vorkommt.

Worauf beim Pferdekauf zu achten ist, erklärt Werner Bredehöft, selbst Züchter von kniehohen Shetlandponies: „Sie müssen aufpassen, daß es nicht zu eselhaftig steht, dann hat es zuwenig Hals.“ Für den Laien ist die Eselhaftigkeit schwer zu erkennen. Das Tier daneben hat jedoch eindeutig einen schlanken Hals, den es auch mindestens zehn Zentimeter höher hält als sein Nachbar. „Viel zu rehhaftig“, lautet das vernichtende Urteil. Verkaufsverhandlungen werden zwar überall eifrig geführt, aber zum Abschluß kommt man meistens erst nach zwei, drei Runden. Zwischendrin wird nochmal das restliche Angebot geprüft, mit anderen Händlern ein Schwätzchen gehalten und Dönekes erzählt vom letzten Zechgelage. Hat man sich entschieden, gilt beim Pferdekauf der Handschlag, ZeugInnen sind nicht nötig. Auf die Ehre der VerkäuferInnen kann man sich hier noch verlassen.

Inmitten der Pferde- und Menschenmassen steht etwas verloren Brigitte Helmke. Sie muß die Stute Juanita verkaufen, weil ihr Mann sie verlassen hat und sie jetzt allein für sich und ihr Kind aufkommen muß. Für das 13jährige Spring- und Dressurpferd hat sie vor drei Jahren 10.000 Mark bezahlt, jetzt bietet sie es für 3.000 Mark an. Das Problem - Juanita ist ein Ossi. „Irgendwie denken die Leute, daß die Pferde aus der DDR schlechter sind, das ist totaler Blödsinn. Aber jedesmal wenn ich sage, wo sie herkommt, hat keiner mehr Interesse“, sagt Brigitte Helmke. der Markt ist Juanitas letzte Chance. „Wenn sie heute keiner kauft, dann heißt es Mettwurst.“ Gudrun Kaatz