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Is Bremen in the House?

■ Marlboro brachte das Party-Phänomen „House“ in die Stadt, und schon gingen Tanzkonventionen und Textilien zu Boden

House Music in Bremen steht noch ganz am Anfang. Oder wieder mal am Anfang. Zwei erfolgreiche große House Parties im besetzten Haus im Buntentorsteinweg, die dieses Frühjahr stattfanden, brachten neuen Schwung in die Szene; im „Römer“ wie im „Drome“ laden nun zwei House Music Abende regelmäßig zum Grooven ein. Worunter die Bremer Szene jedoch leidet, ist die fehlende Experimentierfreudigkeit. In diese Situation des etwas schwerfälligen Aufbruchs platzte am Wochenende eine Veranstaltung im „Tunnel“, dem ehemaligen „Mexx“ im Herdentorsteinweg, bei der drei renomierte DJs aus den USA, unterstützt von dem Kölner House DJ Hans Nieswandt, zeigten, was es heißt, Stil zu haben und die potentielle Vielseitigkeit elektronischer Tanzmusik auszuspielen.

House Music hat eine einfache Substanz; die einzige, wirklich feste Regel heißt: vier knallige Bassdrumschläge pro Takt. Diese Formel läßt sich endlos variieren, als Weiterentwicklung der Discomusic aus den 70er Jahren. Für John Acquaviva, DJ aus Detroit, sind diese Freiheiten genauso elementar wie eben der eigene Stil eines DJs. Für ziemlichen Unsinn hält er allerdings die Versuche der Industrie, Kategorien wie House und Techno voneinander zu unterscheiden. Acquaviva meint, elektronische Tanzmusik sei entweder originell oder ganz einfach schlecht.

Der ganze Abend im sehr gut besuchten „Tunnel“ war dementsprechend ein ständiges Balancieren auf dem schmalen Grat zwischen House Music und Techno, bis zur Auflösung der Kategorien. Mike Dunn und Armando aus Chicago zelebrierten unverdrossen Acid, Acid und nochmals Acid House, ließen es quietschen, bollern, schräg sein. Hans Nieswandt spielte Deep House, die allergroovigste Version dieser Richtung, mit viel „Soul“ im Bauch. Und das Publikum sog alles begeistert auf.

Es war heiß, man legte überflüssige Bekleidungsstücke genauso ab wie alte Tanzkonventionen. Eine Frau im BH neben sich tanzen zu sehen war alles andere als etwas Besonderes, und nur Ausdruck davon, wieviel Spaß das alles machte: Seit Freitag ist House Music in Bremen nicht mehr, was sie war.

Da lösten sich auch die Bedenken gegenüber dem Marlboro-Sponsering in Wohlgefallen auf. Denn hier ging es nicht darum, die nun wirklich neueste Tanzmode nachzumachen. Die DJs verstanden es einfach so gut zu begeistern, zu fesseln, daß die Partystimmung wie aus dem Nichts entsprang.

Marlboro hat mit diesem „US-DJ Tour“ Abend ordentliches Kultursponsoring gemacht. Was dabei nervte, selbstverständlich aber auch sehr begrüßt wurde, waren die ständigen Zigarettenangebote. Und überhaupt, Drogen. Klar, daß man über „Ecstasy“ sprach, das Erlebnis, die Welt nach dem psychedelischen Drogengenuß mal wieder in einem anderen Licht zu sehen. Manchen Leuten reicht für dieses angenehme Gefühl allerdings auch eine durchtanzte Nacht. Und John Acquaviva, der raucht nicht mal.

Jochen Bonz

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