Einträchtig und erleuchtet

Eintracht Frankfurt – Borussia Dortmund 4:1 / Andreas Möller spielt bei Jay-Jay Okochas Ballettstunde den lebenden Toten  ■ Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt

Wolfram Wuttke verpaßte ihm Ende der 70er Jahre den (ungeliebten) Spitznamen „Osram“. Und in der Tat: auch heute noch strahlt die Birne von Trainer Jupp Heynckes immer dann, wenn er unter Strom steht, wie das Rotlicht im Frankfurter Bahnhofsviertel – und am vergangenen Sonnabend gegen 17.30 Uhr stand Heynckes unter Starkstrom.

Seine Eintracht hatte gerade den Tabellenführer der Liga, Borussia Dortmund, mit 4:1 Toren vom Platz gefegt und dabei 45.000 Zuschauerinnen und Zuschauer (von knapp 50.000) restlos begeistert. Stehende Ovationen für den Ballzauberer Jay-Jay Okocha und für einen intelligent aufspielenden Kapitän Anthony Yeboah, der trotz Muskelverletzung Spielgestalter und Terminator war. Nur Yeboah hatte nach dem unverdienten 0:1-Rückstand die Nerven, den Elfmeter – nach Handspiel von Matthias Sammer im Strafraum – sicher zu verwandeln.

Auf den Rängen und auf der Bank wurde auch dankbar registriert, daß sich der längst (an Kaiserslautern) verloren geglaubte Sohn Maurizio Gaudino im Waldstadion wieder heimisch fühlt. Zusammen mit Okocha und Yeboah – und einem glänzend aufgelegten Libero Manfred Binz – war Gaudino einer der Matchwinner. Und deshalb legte der von Hans- Hubert Vogts erneut auf Eis gelegte Gaudino nach dem Duschen großen Wert auf die Feststellung, daß seine Querelen mit der Eintracht nach dem Rausschmiß seines Freundes Uli Stein „abgehakt“ seien: „Ich wünsche mir, daß dieses Thema endlich vorbei ist. Und ich will darüber auch nichts mehr lesen.“ Bitteschön!

Lesen müssen, daß er an diesem Nachmittag grottenschlecht spielte, wird heute allerdings Andreas Möller – hören konnte er das schon während der gesamten neunzig Minuten am Sonnabend. Der Mann der „nie“ aus Dortmund weggehen und die vorletzte Saison „ganz bestimmt“ in Frankfurt zu Ende spielen wollte, dann aber zu Juventus Turin wechselte und heute der Eintracht nach deren Meinung noch einige Millionen Mark schuldet, wurde bei seinen sporadischen Ballkontakten gnadenlos ausgepfiffen: „Möller, du Arschloch!“ Doch Trainer Hitzfeld kannte keine Gnade: Das ewige Talent mußte durchspielen – und Möller durchwanderte das Waldstadion in den letzten zwanzig Minuten der Begegnung wie ein lebender Toter. Da hielt es dann den „Schwarzen Abt“ und Möller-Manager Klaus Gerster nicht mehr länger in der Ehrenloge. Der (bislang) erfolglose Trainer der Zweitligamannschaft FSV Frankfurt verzog sich mit bittersaurem Lächeln unters Tribünendach.

Einen anderen Totalausfall nahm Hitzfeld dagegen nach der Halbzeitpause schnell vom Platz: Karl-Heinz Riedle. Für Riedle kam der etwas motiviertere Flemming Povlsen. Doch da stand es nach einem Distanzschuß von Binz und einem wunderschön herausgefummelten Eigentor von Thomas Franck und Martin Kree schon 3:1 für die Frankfurter Eintracht. Und den verdienten Lohn für seine Zauberkunststücke konnte Jay- Jay Okocha in der 88. Minute einstreichen, als die Dortmunder längst die schwarz-gelben Segel gestrichen hatten. Aus spitzem Winkel überlistete Jay-Jay Torwart Stefan Klos mit einem Überraschungsschuß ins kurze Eck zum 4:1-Endstand.

Übrigens: Mit Möller und Riedle will der deutsche (!) Bundestrainer Berti Vogts, für den in der Liga zu viele Ausländer auf Spitzenpositionen spielen, die den Aufstieg deutscher (!) Spieler blockierten, zum Länderspiel nach Rußland fliegen – mit Maurizio Gaudino nicht. Doch es sind – wie in Frankfurt am Main – gerade die Spieler aus dem Ausland (!), die die Menschen in die Stadien locken. Ein Jay-Jay Okocha oder ein Anthony Yeboah (Zeugen Yeboahs) werden hier fast schon abgöttisch geliebt – nicht aber die klägliche (nationalistische) Figur, die Berti Vogts im ZDF-Sportstudio abgab.

Heynckes jedenfalls trat auf der obligatorischen Pressekonferenz trotz der überzeugenden Leistung seiner Mannschaft auf die Euphoriebremse – mit hochrotem Kopf. Zu „übertriebener Begeisterung“ bestehe kein Anlaß, auch wenn die Eintracht diesmal durchgängig auf „hohem Niveau gespielt und eine geschlossene Mannschaftsleistung“ geboten habe. Und herausheben wollte Heynckes nicht die Spieler, die an diesem schönen Nachmittag im Waldstadion herausragenden Fußball gespielt hatten, sondern die als Ersatz für Zchadadse und Weber zum Einsatz gekommenen Spieler Dirk Wolff und Uwe Bindewald. Die hätten vielleicht nicht die spielerische Eleganz der anderen – „aber die nötige Substanz“. „Osram“ sorgt dafür, daß am Riederwald nicht schon wieder alle Sicherungen durchbrennen. Und das läßt die Fans der Eintracht hoffen – auf eine erfolgreiche Saison 1994/95.

Borussia Dortmund: Klos - Sammer - Schmidt, Kree - Reuter, Zorc, Möller, Franck (67. Ricken), Reinhardt - Chapuisat, Riedle (67. Povlsen)

Zuschauer: 47.500; Tore: 0:1 Chapuisat (32.), 1:1 Yeboah (43./Handelfmeter), 2:1 Binz (49.), 3:1 Franck (54./Eigentor), 4:1 Okocha (85.)

Eintracht Frankfurt: Köpke - Binz - Roth, Dickhaut - Komljenovic, Gaudino, Bindewald, Falkenmayer, Wolff - Yeboah (86. Penksa), Okocha (88. Furtok)