Algeriens Regierung verhandelt mit der FIS

■ Inhaftierter Islamistenchef bekennt sich zu Demokratie und zur Verfassung

Algier/Bonn (AFP/taz) – Vermehrte Kontakte zwischen der algerischen Staatsführung und der Islamischen Heilsfront (FIS) haben die Hoffnung auf eine Waffenruhe in Algerien wachsen lassen. Die FIS-Auslandsvertretung bestätigte am Wochenende in Bonn, daß ein Berater von Präsident Liamine Zeroual mit dem inhaftierten FIS-Chef, Abassi Madani, zusammengetroffen sei. Dabei habe Madani einen an Zeroual gerichteten Brief übergeben, in dem er die „Möglichkeit eines Waffenstillstandes“ erörtert habe. Auch in Lausanne gab es ein Treffen zwischen Vertretern der algerischen Regierung und der FIS.

Der Brief Madanis an Zeroual war das erste Schreiben des obersten FIS-Führers an den algerischen Staatschef. Nach Angaben der FIS-Auslandsvertretung stellte Madani darin vier Bedingungen für eine Waffenruhe: die Rückkehr zu den Gesetzen, Bewegungsfreiheit für inhaftierte und ins Ausland geflüchtete FIS-Führer, Transparenz bei den Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition und der Beginn eines ernsthaften Dialogs. Nach Berichten der Tageszeitung Liberté verpflichtete sich Madani in dem Brief, die Verfassung und den Staatscharakter Algeriens sowie die demokratischen Prinzipien anzuerkennen. Die Verpflichtungen und die Abkehr von der Gewalt waren von Algeriens Führung als Voraussetzung für eine Beteiligung der FIS am Dialog genannt worden.

Der FIS-Vertreter in Schweden, Bachir Benzeguir, berichtete in der Sonntagsausgabe der Tageszeitung Al-Watan, bei dem Treffen in Lausanne sei die Regierungsdelegation vom Präsidenten der Kommission für Auswärtige Angelegenheiten im Nationalen Übergangsrat, Dschamal Ould Abbes, geleitet worden. Die beiden Delegationen hätten ihre Meinungen ausgetauscht. Sowohl das Treffen Madanis mit dem Präsidentenberater am Dienstag im Militärgefängnis von Blida als auch die Zusammenkunft in Lausanne wurden von der algerischen Regierung zunächst nicht bestätigt. Die FIS hatte bei den ersten freien Wahlen des Landes Ende 1991 im ersten Wahlgang die meisten Stimmen bekommen. Daraufhin waren die Wahlen annulliert und die FIS verboten worden. Seitdem kämpft sie im Untergrund gegen die Machthaber. In dem schleichenden Bürgerkrieg wurden bisher etwa 10.000 Menschen getötet.

Die algerischen Militärs gaben unterdessen bekannt, sie hätten am Donnerstag und Freitag im ganzen Land insgesamt 41 mutmaßliche Islamisten getötet. Zudem sei vor kurzem der Anführer einer islamischen Untergrundgruppe, der 32 Jahre alte Ammari Tayib, getötet worden. Dieser sei für rund 40 Attentate und mehrere Angriffe auf die Gendarmerie verantwortlich. Unterdessen wurden in Larbaa im Osten des Landes zwei Jugendliche öffentlich von Islamisten hingerichtet, weil sie mit den Ordnungskräften kooperiert haben sollen. Den zwei „Verrätern“ seien vor einer Moschee die Kehlen durchgeschnitten worden, berichtete die Zeitung Le Matin. Die zwei Jugendlichen wurden zuvor mit verbundenen Augen, Mundknebeln und gefesselten Händen der Menge als „Feiglinge und Verräter“ präsentiert.

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