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„Das Vertrauen der Bürger ist ein scheues Reh“

■ Stoiber warnt beim CSU-Parteitag vor Selbstzufriedenheit und „Salonbolschewismus“

München (taz) – In großen blitzblank-weißen Lettern prangt das Logo der CSU auf blauem Grund über dem Rednerpult und paßt zur Präsentation der Partei an diesem Tag: Arielfrisch und von allen Amigos reingewaschen – so rein, daß keiner mehr ein Wort über die Kollegen Gauweiler, Streibl, Tandler oder Steuerflüchtling Zwick verlor. Warum auch? War da was? „Sie sind ja alle weg, was soll man also noch reden“, sagt eine Delegierte, „es war schon immer die Stärke der CSU, einen Schlußstrich ziehen zu können.“

Ex-Umweltminister Peter Gauweiler, in den unwichtigeren Flügel der CSU-Tribüne verbannt, mutet richtig artig an, als er selbst bei Aussagen des Ministerpräsidenten wie „wir müssen die Republikaner bekämpfen, weil sie außerhalb des Verfassungsrahmens sind“, brav, allerdings zaghaft, klatscht. Wie aber paßt dies zusammen mit dem Gauweiler-Spruch, geäußert bei seiner Rücktrittsrede im vergangenen Februar, die Republikaner seien „nur ein wenig rechts von der Mitte“ einzuordnen? Diese Aussage, so Ministerpräsident Stoiber zur taz, „entspricht weder meiner Meinung noch der Parteilinie“.

Statt Diskussion steht Präsentation der Geschlossenheit auf der Tagesordnung – schließlich sind in drei Wochen Landtagswahlen. Vergessen scheinen die Positionskämpfe mit der CDU. Helmut Kohl wird am ersten Tag mit stehenden Ovationen gefeiert. Die CDU/CSU-Ehe war nicht immer so harmonisch gewesen. Doch Stoiber setzt am Sonntag noch eins drauf: „Wir sind bei der CDU so beliebt, weil sie sich auf uns verlassen kann“, schwärmt er vor den Delegierten, und Kurzbesucher Schäuble nickt zustimmend.

Mit der demonstrierten Harmonie geht einher, daß man auf diesem Parteitag das Profil der CSU eher suchen muß. Inhaltlich unterscheiden sich die Reden von Waigel, Stoiber, Kohl und Schäuble kaum mehr. Das Feindbild Kommunismus eint und dient als Waffe gegen die SPD: Die Koalition mit den „Salonbolschewiken“ (Waigel) in Sachsen-Anhalt verletze demokratische Grundsätze. Kohl und Waigel fordern Scharping auf, das Bündnis zu beenden und gegen eine große Koalition einzutauschen und warnen vor einem „rot- grünen Abenteuer“ in Bonn.

Edmund Stoibers Worte sind reingewaschen von Hardliner- Sprüchen und klingen eher nüchtern. „Das Vertrauen der Bürger ist ein scheues Reh“, erklärt er mehrmals und verfällt plötzlich in bayerischen Dialekt, „da braucht's a bissel mehr als a poar nette Gespräche“. Edmund Stoiber, so gar nicht bayrisch und darüber hinaus nicht mit einem Straußschen Tremolo gesegnet, kippt zuweilen die Stimme um. „Ich bitte Sie“, keucht er am Ende ins Mikro, „mobilisieren Sie, wo es geht“, und warnt vor zuviel Selbstzufriedenheit.

Diese Warnung können die überwiegend männlichen und wohlgenährten Delegierten offenbar brauchen. In der Parteiführung sorgt man sich, daß die Basis nach dem guten Ergebnis der Europawahl träge geworden ist. Doch die von Waigel gelegte Latte („50 Prozent + x“) für Landtagswahl und Bundestagswahl ist hoch. Einer aus dem Wahlkreis von Renate Schmidt sieht die Sache etwas anders: „Die hat eine verdammt gute Ausstrahlung – da ist noch gar nichts für uns entschieden.“ Corinna Emundts

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