Gorbatschow: Über Bodenreform nie gesprochen

■ Der ehemalige sowjetische Staatschef differenziert seine Äußerungen / Helmut Kohl bleibt dabei: Anerkennung der Enteignung war Bedingung für Einheit

Berlin (AFP/taz) – Michail Gorbatschow, Staatschef im Ruhestand, bleibt dabei: In den sogenannten Zwei-plus-vier-Gesprächen, in denen die UdSSR, die DDR und die BRD die deutsche Wiedervereinigung ausgehandelt haben, „tauchte die Frage der Restitution von zwischen 1945 und 1949 in der damaligen sowjetischen Besatzungszone enteignetem Besitz nicht auf und wurde nicht erörtert“. Es stimme nicht, daß er damals, 1990, ausdrücklich die Rückgabe jenes Eigentums habe verbieten wollen, das zwischen 1945 und 1949 in der russischen Besatzungszone konfisziert worden war. Eine Fläche von der Größe Nordrhein-Westfalens wurde zwischen 1945 und 1949 enteignet.

Gorbatschow betont in seiner vom Spiegel veröffentlichten Erklärung, die Frage, ob die Bodenreform im Zuge der Wiedervereinigung unumkehrbar sei, sei in den direkten Verhandlungen mit Helmut Kohl nicht angesprochen worden. Er persönlich habe keine Forderungen mit der Wiedervereinigung verknüpft.

Vieldeutig liest sich aber in dem Schreiben der Satz, das Moskauer Außenministerium habe den „sowjetischen Standpunkt klar“ vertreten. Diese Position sei dann in der gemeinsamen Erklärung der beiden deutschen Regierungen vom 15. Juni 1990 berücksichtigt worden. Darin heißt es: „Die Enteignungen auf besatzungsrechtlicher beziehungsweise besatzungshoheitlicher Grundlage (1945-1949) sind nicht mehr rückgängig zu machen. Die Regierungen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik sehen keine Möglichkeit, die damals getroffenen Maßnahmen zu revidieren.“ Allerdings sollten „etwaige staatliche Ausgleichsmaßnahmen“ dem wiedervereinigten Deutschland vorbehalten bleiben. Von einer Alternative „Restitutionsverbot oder Scheitern des Großen Vertrages“ sei nie die Rede gewesen, schreibt Michail Gorbatschow.

Damit reizte er gestern seinen Duzfreund Helmut Kohl. Die Sowjetunion habe bei den Verhandlungen über die deutsche Einheit darauf bestanden, daß die ostdeutsche Bodenreform vor der Gründung der DDR nicht rückgängig gemacht werde, sagte der Bundeskanzler. „Es gab bei den Verhandlungen überhaupt keinen Zweifel daran, daß die Sowjetunion an dieser Forderung nicht nur festhält, sondern daß das überhaupt eine Voraussetzung für die weiteren Gespräche war.“ Bei den persönlichen Gesprächen mit Gorbatschow sei die Bodenreform kein Thema gewesen, weil bereits bei den Vorgesprächen zwischen den Delegationen alles „längst festgelegt war“. roga