: Betrug und andere Delikte
■ Staatsanwaltschaft klagt Altonas früheren SPD-Fraktionsvorsitzenden Michael Pape an / Und der legt jetzt alle Ämter nieder Von Sannah Koch
Es war wohl doch das Ruhen vor dem Sturm: Vor über einem Jahr hatte Altonas SPD-Abgeordneter Michael Pape verkündet, er werde sein Mandat als Fraktionsvorsitzender bis auf weiteres ruhen lassen, gestern trat er von allen Partei- und Parlamentsämtern zurück. Zuvor hatte die Hamburger Staatsanwaltschaft einen Schritt nach vorn getan: Sie beantragte beim Landgericht Hamburg, ein Verfahren gegen den Politiker zu eröffnen.
„Betrug und andere Delikte“ werden Pape als Geschäftsführer des Beschäftigungsprojekts Alto–naer Jugendarbeit (AJA) und als persönlich haftendem Gesellschafter der Michael Pape Altonaer Gebäuderverwaltung KG vorgeworfen. Näheres mochte Oberstaatsanwalt Jürgen Gammelin gestern nicht preisgeben. Die Anzeige gegen den SPDler war im Frühjahr 1993 vom Arbeitsamt erstattet worden, das ihn verdächtigt, öffentlich geförderte ABM-Kräfte zweckfremd zur Sanierung zweier Häuser der Pape Gebäude KG eingesetzt zu haben.
Doppelt und dreifach kassierte Pape für seine Altonaer Unternehmungen schon seit Jahren: Von der Hamburger Sozialbehörde und der Bundesanstalt für Arbeit wird AJA mit Zuschüssen in Millionenhöhe bedacht, desweiteren erhielt die Gebäude KG von 1990 bis –92 von der Stadt für die Sanierung der Häuser in der Hospitalstraße 630.000 Mark, und nicht zuletzt strich AJA jährlich bezirkliche Sondermittel in fünfstelliger Höhe ein. Michael Pape war unter anderem Mitglied im Altonaer Haushaltsauschuß; eine Amt, das er nicht hatte ruhen lassen.
Die Geldquellen sprudelten trotz des Ermittlungsverfahrens fröhlich weiter: Noch in diesem Jahr bekam AJA 100 ABM- und LKZ-Stellen zugewiesen, strich von der Sozialbehörde knapp 1,7 Millionen Mark an institutioneller Förderung und fast 600.000 Mark ABM-Restpersonalkosten ein. Und das soll sich auch nicht ändern: Für –95 hat der Senat wiederum 2,27 Millionen Mark institutionelle und 2,67 Millionen Mark Projektförderung vorgesehen. „Nur weil ein Betrugsverdacht gegen den Geschäftsführer besteht, können wir nicht einen so großen Träger dicht machen“, so die Begründung von Behördensprecherin Christina Baumeister. Im übrigen empfinde die Sozialbehörde den Einsatz von ABM-Kräften in der Hospitalstraße nicht als unzulässig. Regreßforderungen werde sie nur geltend machen, wenn es dem Arbeitsamt gelänge, eigene Rückforderungen gegen Pape gerichtlich durchzusetzen.
Über Rücksichtnahmen kann sich AJA auch auf anderen Gebieten freuen: Aufgrund der monatelangen Gerüchte um Papes angeblichen Betrug hatte die CDU-Bürgerschaftsfraktion im Frühjahr Aktenvorlage beantragt. Die wurde genehmigt, doch reinschauen darf trotzdem kaum jemand – nur einige Abgeordnete und nur unter Aufsicht, mit der strikten Auflage, keine Notizen dabei anzufertigen. Ein Antrag von CDU und GAL, auch Fraktionsassistenten Einsicht zu gewähren, war im Juli von der Bürgerschaftskanzlei abgelehnt worden: Der AJA-Vorstand habe es abgelehnt, das Einsichtsrecht zu erweitern. Eckhard Reinert, Direktor bei der Bürgerschaft, bezeichnete die Einschränkungen bei der Einsicht gestern als „ungewöhnlich“, begründete sie jedoch mit der besonderen Schutzwürdigkeit personenbezogener Daten. Allerdings wird die Bürgerschaft die Rechtmäßigkeit ihrer Auflagen nun gutachterlich überprüfen lassen. Gestern hatten sich im Ältestenrat alle Fraktionen dem Protest der CDU gegen die Einschränkung angeschlossen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen