Stumpfe Waffe gegen Männergewalt

■ Wem nützt das neue Gesetz zum Schutz der Frau gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz? / „Läßt Männern weniger Ausreden“

Renate Slaby ist Juristin und Mitarbeiterin der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau. Sie war als Vertreterin des Senats für Arbeit und Frauen im Bundesratsgremium an der Planung des Gesetzes beteiligt, das am ersten September in Kraft trat, um den „Schutz der Frau vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz“ zu gewährleisten.

Da der Bund jedoch die kritischen Anmerkungen des Bundesrates weitgehend umging, fiel das Gesetz weniger scharf aus, als mancher Planerin lieb gewesen wäre. Die taz fragte Renate Slaby nach dem Sinn und Nutzen des neuen Gesetzes, aus dem wir nebenstehend die wichtigsten Passagen dokumentieren (siehe Kasten rechts).

taz: Gab es in Ihrer Behörde Beschwerden, auf die mit diesem Gesetz besser als bislang reagiert werden könnte?

Renate Slaby: Nein, weil wir schon seit März –93 für den Öffentlichen Dienst im Land Bremen eine entsprechende Dienstanweisung haben, die viel detailliertere Regelungen vorsieht. Man kann sich nun darüber streiten, ob nun Dienstanweisung oder Gesetz weitergehender ist. In der Privatwirtschaft aber ist ein solches Gesetz neu, wobei es auch da schon von der Arbeitsgesetzbarkeit entsprechende Urteile gab, die im Extremfall zur Kündigung von Männern führten, die Frauen sexuell belästigt haben.

Wer definiert die „sexuelle Belästigung“? Reicht es aus wenn eine Frau sagt, ich fühle mich sexiuell belästigt?

Das ist ein Schwachpunkt in diesem Gesetz, denn es geht vom „vorsätzlich sexuell bestimmten Verhalten“ aus. Das läßt dem Mann, der sagt, –hab ich gar nicht so gemeint', einen breiten Spielraum. Die Dienstanweisung definiert dagegen sexuelle Diskriminierung als direkte oder indirekte Verhaltensweisen, die allgemein als beleidigend oder herabwürdigend wahrgenommen werden. Diese Formulierung bietet den Frauen ein viel breiteres Spektrum, läßt aber den Männern viel weniger an Ausreden.

Aber wichtig bleibt auch da, wie der Vorgesetzte das auslegt.

Wenn ich der Meinung bin, daß mein Dienstvorgesetzter das nicht ernst nimmt, kann ich denselben Weg gehen, wie bei anderen Arbeitstragsverletzungen, nämlich eine Etage höher. Ich kann dabei den Personalrat, die Frauenbeauftragte oder den Betriebsrat um Unterstützung bitten.

Wie ist es mit der Beweispflicht? Wenn beispielsweise eine Frau sagt, „der grapscht“, und der Mann kontert, „die spinnt“.

Ich weiß nicht, wie der Bundesgesetzgeber sich das ausgedacht hat. Das ist ein strittiger Punkt, da von „vorsätzlichem Verhalten“ ausgegenagen wird. Wie das ausgelegt wird, muß man abwarten, es gibt ja bisher noch keinerlei Fälle dazu. Die Dienstanweisung ist jedenfalls eindeutiger und unterstellt zunächst als wahr, was die Frau sagt. Man muß ja auch berücksichtigen, daß daraus nicht sofort eine Kündigung erfolgt, sondern ganz unterschiedliche Schritte. Das kann eine Abmahnung sein, es kann sein, daß dem Mann ins Gewissen geredet wird... Man geht dabei nicht von strafrechtlichen Tatbeständen aus, es geht vielmehr darum, das Klima im Betrieb zu entschärfen, und gleichzeitig deutlich zu machen, welches Verhalten nicht geduldet wird.

Bringt das Gesetz die Frauen weiter oder nicht?

Ich bin da eher skeptisch, weil es auch vorher eine Reihe von arbeitsgerichtlichen Entscheidungen gab, die inhaltlich nichts anderes gesagt haben. Insofern finde ich unglücklich, daß das Gesetz so wenig eindeutig formuliert ist. Was auf den ersten Blick hilfreich aussieht, bringt letzten Endes für die Frau eine ganze Reihe von Unwägbarkeiten mit sich. Man hätte da mehr draus machen können, wenn man sich eindeutig auf die Seite der zu schützenden Frau gestellt hätte, statt von einer Scheinobjektivität der Handlung auszugehen.

Woran ist das gescheitert?

Frau Merkel mußte natürlich ihr Gesetz im Kabinett durchsetzen. Und da sitzen vorwiegend Männer, und zwar nicht unbedingt die fortschrittlichsten. Sie hätte voraussichtlich für ein schärferes Gesetz keine Mehrheiten bekommen.

Fragen: Dora Hartmann