Nordirlands Loyalisten bomben weiter

Der irische Premier Reynolds will sich bald mit dem Chef des politischen Flügels der IRA, Adams, treffen / Großbritanniens Regierungschef Major hingegen windet sich noch  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Sie habe „die Sache der Demokratie gefördert“, teilte die Ulster Volunteer Force (UVF) in einer Presseerklärung mit, nachdem sie am Sonntag abend das Belfaster Sinn-Fein-Büro in Schutt und Asche gelegt hatte. Es war das erste Mal seit 17 Jahren, daß die Organisation, die für die Union von Nordirland und Großbritannien kämpft, eine Autobombe gelegt hat. Die Trümmer zerstörten in einem Umkreis von 40 Metern die Fenster der Wohnhäuser, verletzt wurde jedoch niemand.

Sechs Stunden zuvor hatte Sinn- Fein-Präsident Gerry Adams vom politischen Flügel der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) an der Stelle, an der die Bombe explodierte, vor rund tausend Menschen eine Rede gehalten. „Ich habe eine Nachricht für die loyalistischen Todesschwadrone“, hatte er gesagt. „Wir haben keine Angst vor euch.“ Der Sinn-Fein-Vorsitzende Tom Hartley meinte gestern, daß der Anschlag keinen Einfluß auf den Waffenstillstand haben werde, den die IRA am vergangenen Mittwoch eingegangen ist.

In Belfast fragt man sich jedoch, ob die UVF eine neue Offensive gegen den katholischen Bevölkerungsteil plant oder ob sie lediglich noch einmal ihre Stärke demonstrieren wollte, bevor sie ebenfalls die Waffen niederlegt. Ein führendes UVF-Mitglied sagte vorgestern zu einer irischen Sonntagszeitung, er bezweifle nicht, daß die UVF eine Waffenruhe erklären werde. „Es herrscht Euphorie innerhalb der UVF“, sagte er, „wir sind davon überzeugt, daß wir gewonnen haben. Wir sind trotz des Verrats der britischen Regierung und des Terrorismus der IRA ungeschlagen.“ Er fügte hinzu, unionistische Politiker hätten versichert, daß Nordirland weiter Teil des Vereinigten Königreichs sein wird: „Auch nach 25 Jahren Krieg bleibt Nordirland britisch.“

Möglicheweise wird die UVF gegen Ende der Woche einen Waffenstillstand erklären. Einen solchen Schritt muß sie zunächst mit ihren Mitgliedern und Sympathisanten sowie mit den Gefangenen abstimmen. Was aber wird die andere paramilitärische Organisation der Loyalisten, die Ulster Defence Association (UDA), tun? Die UDA hat am Donnerstag, dem ersten Tag des IRA-Waffenstillstands, einen Katholiken in Belfast getötet und danach bekanntgegeben, daß sie ihre Gewaltkampagne ungeachtet der IRA-Entscheidung weiterführen werde. Der UVF-Sprecher sagte jedoch, er gehe davon aus, daß die beiden loyalistischen Organisationen letztendlich gemeinsam handeln und eine Waffenruhe erklären werden.

Unterdessen hat der irische Premierminister Albert Reynolds gestern bilaterale Gespräche mit den anderen Parteien über die Einrichtung des „Forums für Frieden und Versöhnung“ aufgenommen. Spätestens Anfang nächster Woche wird Reynolds erstmals mit Gerry Adams zusammentreffen. Der britische Premierminister John Major spielt dagegen auf Zeit. Er hat trotz der Ereignisse in Nordirland weder seinen Urlaub abgebrochen noch die ParlamentarierInnen aus der Sommerpause gerufen, wie es Hinterbänkler seiner Partei gefordert hatten. Statt dessen beharrt Major darauf, daß die IRA verspricht, die Waffen „für immer“ niedergelegt zu haben. „Es hat zwar Fortschritte gegeben“, sagte er, „aber wir brauchen noch ein kleines bißchen mehr.“