■ Mit der Kuponprivatisierung auf du und du: Aktien fürs Volk
Prag (taz) – Jeder Bürger wird ein Aktionär. Auf diese einfache Formel läßt sich die bereits in den ersten Monaten nach der samtenen Revolution vom damaligen tschechoslowakischen Finanzminister Václav Klaus und seinen Mitarbeitern entwickelte Kuponprivatisierung bringen. Für eine Verwaltungsgebühr von 1.000 Kronen (60 DM) konnten die TschechInnen 1.000 Kupons erwerben, die als eine Art Spielgeld zum Kauf von Aktien verwendet wurden. In einer ersten, im Frühjahr 1993 abgeschlossenen Welle, konnten so Anteilsscheine von fast 1.000 Staatsunternehmen an etwa 6 (von insgesamt 10) Millionen Bürger verteilt werden; in der noch andauernden zweiten Welle stehen die Aktien von 861 Betrieben zum Verkauf. Erneut beteiligen sich 6 Millionen TschechInnen, der Nennwert der Aktien liegt bei 155 Milliarden Kronen (9 Mrd. DM). In der Angebotsliste finden sich auch die tschechische Telecom sowie die beiden Erdölraffinerien des Landes.
Als größtes Problem der Kuponprivatisierer hat sich die Festsetzung der Aktienkurse erwiesen. Jede Welle der Privatisierung wird daher in mehrere Runden geteilt; in jeder Runde wird der Kurs der Aktien entsprechend den Ergebnissen der vorherigen geändert. Nicht nur in der bisher letzten Runde der zweiten Welle wurde deutlich, daß die tschechischen Kleinaktionäre versuchen, möglichst billige und damit möglichst viele Aktien zu kaufen. Fast keine Nachfrage gibt es nach Aktien, für die mehr als 100 Kuponpunkte eingesetzt werden müssen, auch wenn es sich hier um erfolgreiche Betriebe handelt.
Die Mehrheit der TschechInnen entschied jedoch nicht selbst über die Verteilung ihrer Kupons, sondern überließ dies einem der rund 400 Investitionsfonds. Die befürchtete Aufsplitterung der Aktien an Millionen von Kleinaktionären fand somit nicht statt. In der ersten Welle der Privatisierung haben die neun größten Fonds 40 Prozent aller Aktien erworben. her
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