Kein Schiff kommt durch

■ Polnische Schiffe blockieren die Oder, die wichtigste Wasserstraße nach Berlin

Berlin (taz) – Im Hafen von Szczecin (Stettin) liegen zwölf Binnenschiffe aus Deutschland fest. Polnische Transportschiffer haben mit 33 Barken und Schubbooten die Ost- und die Westoder abgeriegelt, um gegen neue Transportquoten zu protestieren. Für Frachtschiffe ist die Wasserstraßen-Verbindung zwischen der Ostsee und Berlin seit Donnerstag gesperrt.

Die Blockade der polnischen Schiffer richtet sich gegen ein Abkommen zwischen der deutschen und der polnischen Regierung vom November 1993, nach dem das Frachtaufkommen je zur Hälfte von polnischen und von deutschen Schiffen zu fest vereinbarten Preisen transportiert werden sollte. Bisher waren 90 Prozent aller Transport-Aufträge auf der Oder an polnische Schiffer gegangen. Denn polnische Seeleute kosten ihren Arbeitgeber fünf Mark pro Stunde, während ihre deutschen Kollegen mit über 40 Mark zu Buche schlagen.

Unter marktwirtschaftlichen Bedingungen wären binnen kurzem alle deutschen Binnenschiffe von der Oder verschwunden. „Darum haben wir vergangenes Jahr die Politik zur Hilfe gerufen“, sagte gestern Hans-Gerd Heidenstecker von der Binnenreederei Berlin, die nach dem Ende der DDR ihre Stellen um 2.000 auf 530 zusammenstreichen mußte. Um den Polen die Wiedereinführung planwirtschaftlicher Marktgestaltung schmackhaft zu machen, sei neben dem Halbe-Halbe-Kontingent der hohe deutsche Preis für beide Seiten festgelegt worden: Insgesamt hätten die Polen dann zwar weniger transportiert, aber genausoviel eingenommen. Dieser Kuhhandel hätte allerdings die polnischen Unternehmer zu Entlassungen gezwungen – was sie ablehnten. Auch das nachträgliche Angebot der deutschen Binnenschiffer, den Markt in 30 deutsche zu 70 polnische Prozente aufzuteilen, änderte daran nichts.

Zum 1. September hat jetzt die deutsche Seite einseitig die Halbe- Halbe-Marktaufteilung eingeführt. An der polnisch-deutschen Grenze müssen die Kapitäne nun Kontingentspapiere ausfüllen. Hat die polnische Seite ihr Kontingent ausgeschöpft, läßt der deutsche Zoll die Schiffe nicht mehr durch.

Heidenstecker erwartet, daß die Blockade mindestens bis zum nächsten Wochenende dauern wird, für das in Warschau ein Gesprächstermin auf Regierungsebene bereits vereinbart war. Die Binnenreederei Berlin verliere, solange die Blockade dauert, täglich 70.000 Mark. Donata Riedel