„Das Parteiimage schlägt durch“

■ Bernd Weßels, Sozialforscher am Wissenschaftszentrum Berlin, über den Zusammenhang von sozialem Status und Wählerverhalten

Im Projekt „Bundestagswahl 1994“ werden schon seit Anfang dieses Jahres jeden Tag jeweils 500 BürgerInnen nach sozialem Status und Wählerverhalten befragt. Das Projekt des Wissenschaftszentrums (WZB) Berlin, der FU Berlin und des Meinungsforschungsinstituts Forsa erfaßte somit schon fast 90.000 Wähler in Ost und West. Die Umfragen liefern Erkenntnisse über die soziale Zuordnung der Wähler und Trends im Laufe des Jahres. Bernd Weßels leitet das Projekt am WZB.

taz: Die SPD appelliert stark an die Ängste vor sozialem Abbau und Arbeitslosigkeit. Können damit überhaupt breite Wählerschichten gewonnen werden?

Bernd Weßels: Es ist schon so, daß die Arbeitslosen und solche mit niedrigem Einkommen überproportional zur SPD gehen. Aber diese Grundannahme, daß diejenigen in bedrohten Arbeitsplätzen und unsicheren Beschäftigungsverhältnissen die SPD wählen, weil sie meinen, die kann das noch wohlfahrtsstaatlich abpuffern, ist so einfach nicht richtig. Denn in dem Moment, wo eine Chance gesehen wird, über die politische Kompetenz einer Partei die Risiken des Arbeitsplatzverlustes zu minimieren – einfach weil man ihr zutraut, die Konjunktur anzukurbeln und damit Arbeitsplätze zu sichern –, läuft das dann zugunsten der CDU.

Die sozial Schwachen halten sich an die vermeintlich Starken?

Gerade in dem Bereich, in dem Bedrohungsgefühle existieren, spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Wer sich mit seinem Arbeitsplatz bedroht fühlt, der fühlt sich beispielsweise auch leicht bedroht in Fragen der inneren Sicherheit. Dann heißt es: Es gibt zuviel Kriminelle. Auch das wirkt sich positiv für die CDU aus, weil sie, überspitzt gesagt, als die Law- and-order-Partei angesehen wird.

Die SPD hat viel Kritik auch bei den Gewerkschaften geerntet, weil Scharping – vorübergehend – die Einkommensgrenzen für den Solidaritätsbeitrag relativ niedrig ansetzte. Wie wirkte sich dies aus?

Mitte März gab es einen relativ großen Einbruch bei den SPD- Wählern. Die SPD hat sich davon aber wieder erholt und zwei Wochen danach wieder die alten Werte gehabt. Solche Ereignisse tragen zwar zum Trend bei, spielen aber im längeren Verlauf nicht unbedingt eine große Rolle. Bei der CDU läßt sich aber beobachten, daß die Werte seit Anfang des Jahres stetig nach oben gehen.

Warum?

Die Mittelschicht, die kleineren Angestellten sind es, die im höheren Maße zu den Nichtwählern, den Unentschiedenen gehören. Aus diesen Reihen hat die CDU Wähler hinzugewonnen. Man kann feststellen, daß das fast alles „Heimkehrer“ sind. Der größte Teil der Unentschiedenen gibt an, bei der letzten Bundestagswahl 1990 die CDU gewählt zu haben.

Die CDU nützt ihren Heimvorteil als regierende Partei?

Es gibt ein generelles Phänomen in den Zwischenwahlzeiten: die Wähler gucken kritisch auf die Regierungskoalition und sagen, na ja, das ist vielleicht in Zukunft dann doch nicht mehr das Gelbe vom Ei. Wenn es dann aber tatsächlich in die Mobilisierungsphase geht, wenn positive Nachrichten eintreffen, die im Prinzip sie bestätigen, daß ihre letzte Wahlentscheidung vielleicht doch gar nicht so schlecht war, dann gehen sie dahin wieder zurück.

Danach wäre die Wahl auch Glücksache. Im Moment gut für die CDU, weil die leichte konjunkturelle Erholung zufällig genau in der Wahlkampfzeit liegt.

Der Aufschwung ist ein ungeheurer Wahlhelfer. Die Kompetenz in bezug auf wirtschaftspolitischen Fragen wird ganz eindeutig wieder der CDU zugesprochen. Das war am Anfang des Jahres anders. Da schätzte man die SPD auch als sehr kompetent ein, beinahe kompetenter als die CDU. Ich gehe aber auch davon aus, daß die Bürger relativ sensibel darauf reagieren, daß die SPD alles andere als Einigkeit repräsentiert. Das mögen die Wähler nicht gerne.

Im Gegensatz zur SPD kehrt die CDU ihre inneren Konflikte doch nur unter den Tisch- und sitzt Skandale aus.

Politische Skandale scheinen der CDU nicht allzuviel zu schaden. Obwohl man einige Effekte auch in den Umfragen feststellen kann, die aber nur von kurzer Dauer sind. Was durchschlägt, ist das generelle politische Image: traut man denen zu, daß sie einigermaßen vernünftig regieren können. Das traut man ihnen zu, wenn sie einigermaßen Einheitlichkeit nach außen präsentieren. Interview: Barbara Dribbusch