Der Tod und Hermine

■ Ernie Reinhardt über sein neues Stück „Landsend“, das heute im Schmidt Premiere hat, und Lilo Wanders neues ernstes Leben

In der Kneipe Landsend am Rande von Irgendwo werden die Gäste weniger. Auch die Wirtin, Hermine alias Hermann, ist eines Tages nicht mehr. Aber was fängt man an mit dieser Erbschaft, mit einem Lokal und mit dessen Tradition, die die Gründerin mit ihrer ganz speziellen Lebensphilosophie begründet hatte. Landsend ist nach Auseinandergehen und Ausziehn das dritte Stück des Autors Ernie Reinhardt. Nach der Premiere im Berliner Karma-Theater hat die überarbeitete Fassung heute Hamburger Premiere im Schmidt-Theater.

taz: Kannst du kurz die Story von Landsend umreißen?

Ernie Reinhardt: Es fängt damit an, daß jemand im grellen Fummel von einer Beerdigung kommt. Das ist Robert, den spiele ich. Er regt sich über die ganze Art der Beerdigung auf, weil er einmal Profi in Trauerfeiern gewesen ist. An diesem Punkt beginnt eine Zeitreise zurück, Roberts Erinnerung an seine eigene Geschichte. Dieser erste Teil endet mit dem Moment, als er zum erstenmal in Hermines Kneipe kam. Da stand Hermine, die ich ebenfalls spiele, hinterm Tresen. Sie ist ein abgedrehtes Wesen, einerseits bodenständig, andererseits poetisch-märchenhaft. Als sie Robert zum erstenmal in der Bar begegnet, sagt sie ihm auf den Kopf zu: „Ich weiß alles über dich“.

Im zweiten Teil ist Hermine der Star im großen Fummel, singt und versucht den Gästen etwas von ihrer persönlichen Philosophie zu vermitteln. Am Ende steht die Frage danach, wie es weiter geht, wenn durch den Tod etwas zu Ende gegangen ist. Heißt das, daß man ganze Ideen, Philosophien aufstecken muß, weil der Mensch, mit dem man sie verbindet, gestorben ist?

Eine Story, die aufs Gefühl zielt?

Bestimmt keine intellektuelle Geschichte, und daß sie aufs Gefühl zielt, das macht sie so schwierig zu erzählen.

Ein Stück über Aids?

Das Wort „Aids“ wird kein einziges Mal fallen. Es geht um die Grundstimmung, daß sich was verändert hat in der Schwulenszene, und wenn es so rasant weitergeht, wird sich das bald in der ganzen Gesellschaft in völlig anderen Dimensionen zeigen. Wir werden lernen müssen, damit umzugehen, daß Leute mitten aus dem Leben gerissen werden. Normalerweise gehen wir eben davon aus, daß alle Menschen 70, 80 Jahre alt werden, und daß sich daran nichts ändert. Daß dem bald nicht mehr so ist, damit werden wir uns alle auseinandersetzen müssen. Zwar ist „Lands-end“ eine explizit schwule Geschichte, aber sie besitzt in diesem Sinne Allgemeingültigkeit.

Siehst du Aids als Impuls, der Tabuisierung des Todes zu widersprechen?

Das müssen wir alle. Dazu kommt aber, daß es im Zuge von Aids den einen positiven Nebeneffekt gab, daß Homosexuelle und ihre gelebte Sexualität plötzlich im Bewußtsein der Öffentlichkeit vorkommen. Und zwar nicht mehr nur in einer verklemmten, schmutzigen Gedankenwelt, sondern als ein Teil des Lebens, der richtig und gut sein kann und ist.

Wechselt Lilo Wanders jetzt ins ernste Fach?

Die Schmidt-Shows werden auch in Zukunft weiter überborden. Ich bin's allerdings ein bißchen leid, nur über Zoten definiert zu werden. Auch Figuren müssen Entwicklungen durchmachen. Die Wanders gibt's jetzt seit fünf Jahren, und damals war sie eine ganz andere Person, völlig schroff und ohne jedes Mitgefühl, eine Karikatur, aus der mittlerweile ein Mensch geworden ist.

Und jetzt ist sie Journalistin für „Wa(h)re Liebe“ bei Vox? Der Absturz in die Seriosität?

Naja, die zehn bisherigen Sendungen haben riesigen Spaß gemacht. Und die Rolle, hilft schon, Dinge zu tun, die ich privat so nicht machen würde. Die Wanders kann anders fragen als ich das täte. Aber, um vom Geld zu sprechen, da gibt es diese ganzen Betriebsfeste und Galas – wenn –se mal nicht Benefiz sind –, davon lebe ich, das ist mein Einkommen, schon deshalb kann ich die Figur nicht sterben lassen. Da muß eine Pointe die andere jagen, aber das bedeutet ja nicht, daß ich das ausschließlich machen muß. Fragen: Julia Kossmann