Erst versprochen, dann verschleppt

■ Patientenanwalt Funke: Behörde blockiert Entschädigung der UKE-Opfer Von Sannah Koch

„Ich spreche täglich mit Toten“ – eine bittere Last, die den Hamburger Anwalt Wilhelm Funke bedrückt. Rund 300 KrebspatientInnen, die zwischen 1989 und –90 im UKE bestrahlt worden sind, haben sich inzwischen an den Juristen gewendet, um die Stadt wegen schwerer Nebenwirkungen auf Schmerzensgeld zu verklagen. Doch viele erleben ihre Entschädigung nicht mehr – auch weil die Stadt diese Hilfe derzeit verschleppe, so des Anwalts Vorwurf.

„Fast jeden Monat sterben drei bis vier meiner Mandanten, ohne daß sie zu ihrem Recht gekommen sind,“ klagt Funke. Bei einer CDU-Pressekonferenz erhob er gestern schwere Vorwürfe gegen die Wissenschaftsbehörde: Sie blockiere seit einem Jahr die von Senator Leonhard Hajen versprochene „zügige und unbürokratische“ Schadensregulierung der UKE-Opfer.

Eigentlich sei das Entschädigungsverfahren im vergangenen Jahr nach den anfänglichen Blockaden der Behörde ganz „vernünftig angelaufen“, so Funke. An 42 Patienten wurde bislang eine Schadenssumme von 3,09 Millionen Mark gezahlt – alles Krebskranke, denen gutachterlich bestätigt worden war, daß ihre Leiden Folge einer Überbestrahlung aufgrund einer unkonventionellen Therapiemethode seien. Doch jetzt tue sich die Stadt bei den restlichen Patienten schwer, so Funke.

Für den Juristen ist das empörend, weil vollständig unnötig: Beim letzten großen Hamburger Medizinskandal vor zehn Jahren wegen der Behandlungsfehler des damaligen Cheforthopäden Professor Bernbeck (AK Barmbek) sei die Hansestadt einen Schritt weiter gewesen. „Damals hatten wir eine behördenunabhängige Kommission aus Ärzten und Juristen, mit der ich die Fälle auf schnellem, außergerichtlichen Weg klären konnte“, erinnert sich Funke. Jetzt entscheide die Behörde, wer entschädigt wird – die strittigen Fälle müßten auf dem Klagewege durchgefochten werden. „Das kann bis zu zehn Jahren dauern.“

Auf diesen Vorwurf reagierte Senator Hajen gestern prompt und pampig: „Ich lasse weder mir noch meinen Mitarbeitern unterstellen, wir spielten in diesen menschlich tragischen Fällen auf Zeit.“ Wer im UKE falsch behandelt worden sei, habe Entschädigungsansprüche, die so schnell wie möglich erfüllt würden, so sein erneutes Versprechen.

Unterschiede zum Bernbeck-Verfahren will die Behörde auch nicht gelten lassen. „Wir haben eine Lenkungsgruppe aus Behördenmitarbeitern, Ärzten und Juristen“, so Hajen-Referentin Dagmar Jensen, das sei beim Bernbeck-Skandal ebenso gewesen. Nein, damals habe man noch eine weitere unabhängige Kommission gehabt, beharrt Funke aber – und das Einsetzen einer solchen Instanz will die CDU nun auch im Parlament beantragen, so ihre gestrige Ankündigung.

Auch in einem zweiten Punkt liegt Funke mit der Behörde überkreuz: Seit Monaten verlangt er eine Stellungnahme, ob die Behörde die Patienten-Aufklärung im UKE vor der Bestrahlung für ausreichend halte. Funke glaubt, daß nicht umfassend über Risiken und Alternativen informiert wurde und die Behandlungen somit rechtswidrig waren. Dann müßte nicht mehr in jedem Einzelfall ein Behandlungsfehler nachgewiesen werden, sondern nur noch über die Höhe der jeweiligen Entschädigung verhandelt werden. So könne auch eine Massenklage vor Gericht verhindert werden.

Doch bislang ist die Behörde Funkes Bitte um eine Stellungnahme nicht nachgekommen – nun hat er ihr eine Erklärungsfrist zum 15. September gesetzt.