Auf die Kokosnuß getreten

■ Norddeutschlands letzte Weberei für Kokosteppiche arbeitet in Walle: robust und ökologisch

„Das hier ist eine richtige Diva, sehr sensibel; wenn Sie da nicht vorsichtig sind, reißt sofort der Faden“, sagt Hans-Werner Kohl, Inhaber der Bremer Kokosweberei. Stolz zeigt er auf sein Sensibelchen: einen großen gußeisernen Webstuhl, wie man ihn heute kaum noch bekommen, geschweige denn bezahlen kann. Zur Zeit entsteht auf der Diva ein roter Kokosläufer, der so gar nicht weichlich aussieht, sondern sehr robust.

Von den fünf oder sechs Kokoswebereien, die es in Deutschland noch gibt, ist der Bremer Betrieb in der Waller Ritter-Raschen-Straße der kleinste – und der letzte in Norddeutschland. Es gibt nur noch einen Weber, und die beiden Webstühle klappern, wenn gerade Zeit ist und nicht Fertigware aus Indien verlegt werden muß. Das hat sich nämlich mittlerweile zum Haupterwerbszweig entwickelt.

„Früher waren Kokosteppiche Arme-Leute-Teppiche, heute kommen hauptsächlich Ärzte, Rechtsanwälte und Lehrer zu uns und lassen sich ihre Wohnungen und Praxen mit Kokos auslegen“, erzählt Kohl. Diese Imageänderung schreibt er dem gestiegenen Ökobewußtseins zu: „Die Leute wollen sich heutzutage am liebsten mit Natur pur umgeben und da liegen sie bei Kokos gerade richtig.“ Für für die Teppiche wird ein nachwachsender Rohstoff verwendet, der – wenn er nicht eingefärbt wird – unbehandelt auf den Fußboden kommt. Dementsprechend ergab eine Untersuchung von Öko-Test, daß die Emissionen bei Kokos-Teppichböden (ohne Rückenbeschichtung) ähnlich denen von Keramikkacheln und unbehandeltem Holz sind, also unbedenklich.

Aller Kokosteppich Anfang ist die Kokosnuß und nicht etwa die Baumrinde, wie viele vermuten. Damit die Nuß beim Fall aus großen Höhen nicht matschig wird, ist sie mit einem dicken Faserpolster ausgestattet. Das wird von der Nuß gepellt, getrocknet, zu Garn versponnen und dann zu großen Ballen gepreßt. In Bremen rupft man diese wieder auseinander und verwandelt die Kokosschlingen mittels einer altertümlichen Spulmaschine in überdimensionierte Garnrollen. Die zischen dann mit der Rohrpost eine Etage tiefer – an die Stätte ihrer Verarbeitung. Dort düsen die Schiffchen dann mit hoher Geschwindigkeit im Webstuhl vor dem Bauch des Webers hin und her und knallen auf jeder Seite mit Getöse in den Bremsblock – oder daneben, wie die vielen „Einschußlöcher“ in der Wand bezeugen.

Verwebt wird die Nußpelle hauptsächlich im Fischgrat-Muster, klassisch schön und in allen Farben zu haben. Die Weberei Kohl hat auch ein spezielles Bremer Muster entwickelt in rot, braun und natur mit schwarzem Schuß, besonders beliebt für den Eingangsbereich. Für Schiffe dagegen wird der rote Läufer mit schwarzem Schuß bevorzugt. Wasser macht dem Kokos nach Kohls Angaben überhaupt nichts. „Früher hatte man die Kokosläufer sogar auf den Sprungbrettern im Schwimmbad, die verrotten nicht.“

Obwohl die Auftragslage der Firma heute ganz gut ist, kommt nur noch einmal im Jahr eine Lieferung Kokosgarn aus Indien. „Als ich klein war, wurden hier alle naselang Ballen angeliefert, aber da hatten wir auch noch 30 Beschäftigte und vier Webstühle, die den ganzen Tag liefen“, erinnert sich der Firmeninhaber. Heute stehen die Webstühle oft still.

Kokosteppiche verlegen erfordert einige Vorbereitung und ein spezielles Wissen um die Natur der Faser. „Kokos ist ein hydroskopisches Material, das heißt es nimmt Feuchtigkeit aus der Umgebung auf und gibt sie langsam wieder ab. Deswegen muß der Teppich auf ganzer Fläche verklebt werden, sonst schlägt er Beulen“, sagt der Fachmann. Der Trick besteht darin, daß sich ein festgeklebter Teppich bei feuchtem Klima einfach gleichmäßig nach oben ausdehnt, sprich dicker wird. Wichtig ist auch noch, die Kokosware im „kleinsten Zustand“ zu verlegen. Um das zu erreichen, kommt der Teppich für eine Woche in den Trockenraum. In der Wohnung kann er sich dann anschließend wieder ausbreiten. Und zum Schluß die aktuellen Pflegetips: Wasserlösliche Flecken sofort mit destilliertem Wasser abtupfen, Fettflecken mit Schulkreide einreiben und anschließend ausbürsten. Gudrun Kaatz