„...dann fahre ich alles über den Haufen!“

■ Welche Musik macht Trompeter aggressiv? Was beruhigt sie (und uns)? Zwei der „10 Of The Best“ im Gespräch

Unter dem nicht ganz unbescheidenen Titel „10 Of The Best“ tritt heute abend ein Bläserkreis der Meisterklasse an, um seinem Namen gerecht zu werden. Zusammengebracht hat sie der Bremer Otto Sauter, Nestor, Mentor und Spiritus Rector der „Internationalen Trompetentage“ und selbst Spezialist für die Piccolo-Trompete. In ihren Konzerten beharren die Meister fast ausschließlich auf populären Standardsongs und Muntermachern von Georges Bizet bis Bert Kaempfert. Warum die Zehnbesten sich so ganz und gar dem Publikumsgeschmack hingeben, erzählten Sauter und sein US-amerikanischer Kollege Allen Vizutti der taz im Gespräch.

taz: Wo liegt für einen Spitzenmusiker eigentlich die Herausforderung, wenn er die tausendunderste Version von „Hello Dolly“ spielt?

Allen Vizutti: Die Arrangements, die ich für diese populären Titel geschrieben habe, sind schon ein wenig ungewöhnlich. Es gibt eine Menge Anforderungen an die Musiker, und zwar sowohl, was den Stil angeht als auch die Technik; in den traditionellen Arrangements würden Sie sowas niemals hören. Aber die bekannten Melodien sind schon noch intakt, und das bereitet uns wie dem Publikum eine Menge Spaß. Unser Konzept ist, nicht so sehr unser Talent auszuspielen, sondern einfach verschiedene Musikrichtungen zu bieten, die man gerne hört. Wir könnten sehr verrückte Musik spielen, wenn wir wollten. Aber unserere Vorstellung ist eher, Konzerte fürs Publikum zu machen. Und außerdem müssen wir ja auch Eintrittskarten verkaufen.

Worin liegen denn die Besonderheiten dieser neuen Arrangements?

Vizutti: Ich habe kleine, angejazzte Soli für jeden Musiker eingebaut; vor allem bringt diese Art der Orchestrierung die vielfältigen Farben unserer Bläsersektion heraus. Ich glaube, daß das Publikum da sehr überrascht sein wird, wie unterschiedlich Trompetenmusik klingen kann. Manchmal kann eine Trompete oder ein Flügelhorn wie eine menschliche Stimme klingen, manchmal wie eine Violine oder eine Fanfare. Ich habe für dieses Konzert versucht, all diese Sounds zu verwenden.

Und Sie wollen dem Publikum nicht zumuten , wenigstens ein paar unbekannte, neuere Bläserstücke zwischen den altbekannten Klassikern zu hören?

Otto Sauter: Wenn wir Musiker im Auto unterwegs sind, dann hören wir ja auch keine Klassik, keine ernste Musik, sondern einfach Musik, die entspannt. Wenn ich da nur zeitgenössische Musik höre, dann werde ich aggressiv, da fahre ich doch alles über den Haufen! Also spielen wir nur noch Sachen, die uns selbst Spaß machen und den Leuten auch. Das Publikum muß reinkommen, sich gut unterhalten, glücklich sein und nachher froh rausgehen. Das ist, was wir wollen.

Das kann man natürlich auch mit einem Ensemble erreichen, in dem die Musiker nicht absolute Weltspitze sind. Kann man sowas nicht zum Beispiel der Werder Big Band überlassen?

Sauter: Allen schreibt so schweinisch schwere Arrangements, also, der Piccolopart allein ist dermaßen hart zu spielen, und zwar bei allen Stücken – da braucht man einfach sehr gute Musiker. Diese Arrangements ließen sich wohl nur sehr schwer verkaufen, weil sie kaum jemand spielen kann.

Das bedeutet: Gute Unterhaltung steht absolut im Mittelpunkt. Wird sich das auch in der Ausbildung der neuen Trompetenakademie in Bremen widerspiegeln? Müssen gute Trompeter künftig auch gute Entertainer sein?

Sauter: Nein. Aber die Leute müssen heute so gut ausgebildet werden, daß sie sämtliche Fachbereiche gut abdecken können. Nehmen Sie zum Beispiel unseren Kollegen Larry Elam; der spielt beim Staatsorchester in Hamburg, aber wenn irgendwo in Deutschland die „West Side Story“ gespielt wird, wird der geholt, weil es niemand sonst so gut spielen kann. Es reicht einfach nicht mehr aus, allein die klassische Orchesterliteratur zu beherrschen. Da werden zum Teil monströse Dinge verlangt. In dieser Richtung müssen die Leute auch ausgebildet werden.

Vizutti: Auch die Dozenten müssen dadurch flexibler sein als früher. Das heißt: Es ist sehr wichtig, unterschiedliche Stile zu lehren und zu erlernen. Auch, wenn es nicht dem persönlichen Interesse des Einzelnen entspricht. Ich werde also genauso traditionelle klassische Stücke unterrichten wie moderne, populäre Musik, bis hin zum Jazz. Die Ausbildung an der Akademie soll den Studenten vor allem ermöglichen, auch nach dem Studium weiter Trompete zu spielen.

Thomas Wolff

„10 Of The Best“, heute um 20 Uhr in der Oberen Rathaushalle, im Rahmen der „Internationalen Trompetentage“