Türkei verweigert Leiche die Einreise

■ In Bremen gestorbener türkischer Gefängnisausbrecher darf nicht zurück in die Heimat

Zum Tode verurteilt war Sait Keles schon vor über zehn Jahren. Doch im September 1988 glückte ihm zusammen mit 17 weiteren Gefangenen der linksradikalen türkischen Organisation Dev Yol („Revolutionärer Weg“) die spektakuläre Flucht aus dem Gefängnis in Kirsehir durch einen selbstgegrabenen Tunnel. Auf Umwegen landete die Ausbrechergruppe im November 1988 schließlich in Bremen und erhielt hier politisches Asyl. Am 1. September ist Sait Keles im Alter von 37 Jahren in Bremen gestorben – als Folge einer Gallenoperation. Doch sein Heimatstaat, die Türkei, will jetzt noch nicht einmal die Leiche zurücklassen.

„Sait Keles ist ein Gefängnisflüchtling und war zum Tode verurteilt“, hieß es gestern aus dem türkischen Generalkonsulat in Hannover zur Begründung. Aber bisher habe „niemand bewiesen“, daß es sich bei der Leiche, die im Gefrierschrank eines Bremer Beerdigungsunternehmens auf den Weitertransport in die Türkei wartet, tatsächlich um Sait Keles handelt. Konsulatssprecher Murat: „Man muß uns erstmal seinen Ausweis zeigen.“

Daß das nicht möglich ist, weiß auch das Konsulat. Schließlich werden – wie überall auf der Welt – türkischen Häftlingen alle Dokumente abgenommen. Nach seiner Flucht ins Bremer Exil bekam Keles einen deutschen Flüchtlingsausweis. Ein türkischer Paß wurde ihm nie wieder ausgestellt.

Am Montag wollten die Witwe und die beiden Kinder den Sarg nach Adana im Südosten der Türkei begleiten, wo Keles' Familie bereits die Beerdigung organisiert hatte. Doch die für den Leichentransport erforderliche Genehmigung der türkischen Behörden kam nicht. Und das, obwohl Frau Keles mit der Heiratsurkunde und weiteren amtlichen türkischen Papieren die Identität ihres verstorbenen Mannes belegen konnte. Der Konsulatssprecher gegenüber der taz: „Eine Heiratsurkunde ist auch in Deutschland kein Ausweisdokument. Und die Leiche kann ruhig auch noch ein paar Tage länger auf die Rückführung warten.“ Das Konsulat könne nun jedenfalls nichts anderes tun, als weitere Weisungen aus Ankara abzuwarten. Auch im Fall des jüngst von einem Polizisten in Hannover erschossenen kurdischen Plakatierers habe es zwei Wochen gedauert, bis alle für den Rücktransport erforderlichen Papiere zusammenwaren.

Die verweigerte Einreise für eine Leiche hat inzwischen für Empörung unter Bremer TürkInnen gesorgt. Einige hundert von ihnen hatten am Samstag auf einem Trauermarsch von der St.-Jürgen-Straße zum Bahnhof Abschied von Sait Keles genommen, darunter viele politische Weggefährten des kurz nach dem Militärputsch im Jahre 1981 zum Tode verurteilten und später ins Exil geflohenen Dev-Yol-Aktivisten. In Bremen hatte Keles eine Schlosserlehre absolviert und war zuletzt als Auslieferungsfahrer bei einer Medikamentenfirma beschäftigt. Ase