Aus der Hundedreckhölle von Brüssel Von Alois Berger

„Ein Hund ist ein von Flöhen bewohnter Organismus, der bellt“, hat Tucholsky geschrieben und vergessen zu sagen, daß dieser Organismus auch noch verdaut und den ganzen Rest. Belgier lieben Hunde. An schwülen Tagen kann nicht einmal der Frittendunst, der sonst als Nationalgeruch allgegenwärtig über dem Land liegt, gegen die ungezählte Hinterlassenschaft der kleinen und großen Kacker anstinken. Mit unbefleckten Schuhen nach Hause zu kommen, bleibt in Brüssel ein Wunschtraum. Jeder Schritt ein Treffer.

Dabei haben die Bürgermeister der Brüsseler Gemeinden den Hunden den Stuhlgang auf Gehwegen strikt verboten. Alle paar Meter ist ein unmißverständliches Kackverbotsschild in den Bürgersteig eingelassen, ein roter Kreis von 20 Zentimetern Durchmesser um einen stilisierten Hund in eindeutiger Pose. Das kann man an sich nicht falsch verstehen. In manchen Stadtteilen sind daneben noch Pfeile ins Pflaster eingelassen, die auf den Rinnstein weisen, wo das Abladen erlaubt ist. Hilft alles nichts. Im Gegenteil, die Brüsseler halten die Zeichensprache auf dem Pflaster für eine Anregung, ihre Köter zur Eigenverantwortlichkeit zu erziehen, was nicht klappt.

Die Erfolgsaussichten sind schon aus hundepsychologischen Gründen schlecht, wie die französiche Wochenzeitung Info Du Monde, die auch in Brüssel eine rege Anhängerschaft hat, kürzlich mitteilte. Das Fachblatt fürs Abgedrehte vermeldete, daß 41 Prozent aller Hunde lieber auf den Gehsteig machen als in den Rinnstein. Quelle unbekannt. In der selben Ausgabe erfuhr die Leserschaft übrigens auch, daß es an der Nationalstraße 20 eine magische Toilette gibt, auf der Kranke gesund und Wünsche erfüllt werden und daß 42 Prozent der Autofahrer nie den dritten Gang einlegen.

Zurück nach Brüssel. Seltsamerweise trifft man immer nur auf Hundedreck, aber so gut wie nie auf die Scheißer selbst. Was daran liegen kann, daß die Belgier ihre Köter lieber im Wohnzimmer halten und nur zum Abladen kurz vor die Tür schicken. In meiner Straße gibt es mindestens drei Familien, die ihren Hunden ein eigenes Zimmer mit Balkon überlassen, damit sie dort oben kacken und kläffen können und nicht auf die gefährlichen Straßen müssen. Belgien hat erst vor einigen Jahren die Fahrprüfung eingeführt, und in keiner anderen Stadt westlich des Urals werden so viele Menschen überfahren wie in Brüssel. Von überfahrenen Hunden hört man nie etwas.

Nur in der Sommerfrische lassen die Belgier den Hund raus. Die Strände zwischen Panne und Knokke-Heist stinken Bände. Kein Quadratmeter Sand, der nicht von einem Köter markiert worden wäre. Das ist Übrigens der riechbarste Unterschied zwischen Belgien und dem Nachbarland Holland. Die niederländischen Strände sind im Vergleich klinisch sauber. Statistiken wissen warum. Holländische Haushalte haben selten Hunde und meistens Katzen, und die bleiben auch im Sommer zu Hause. Bevor wir auf die tiefenpsychologische Ursachenforschung dieser erstaunlichen Tatsache eingehen, nehmen wir an, daß Katzen — wenn's ohne Haustier nicht geht — einfach besser sind, aber auf belgischen Straßen keine Überlebenschance hätten.