Patriarchales Denkschema

■ betr.: „Friedhof geschändet“ (An tisemitismus), taz vom 29. 8. 94

Jetzt muß es doch mal raus! Seit Jahren ärgere ich mich über den Zungenschlag, mit dem die Verwüstung jüdischer Gräber als „Schändung“ bezeichnet wird. Dahinter steckt die Übertragung eines patriarchalen Denkschemas: Danach trifft die Schande die Frau, die vergewaltigt wird, nicht etwa den Vergewaltiger. Das ist zwar gängiger Sprachgebrauch, aber es wird dadurch nicht logischer. Warum meint Ihr, daß antisemitischer Vandalismus einen Friedhof mit Schande bedeckt? Die Schande fällt auf die TäterInnen und die Gesellschaft, die diese Ausschreitungen nicht verhindern kann – oder will. Luise Tyroller, Lübeck