Papst hält an Sarajevo-Besuch fest

Oberhaupt der katholischen Kirche will in der belagerten Stadt ein Zeichen setzen / Sicherheitsrisiko und Streit um Garantien / Serben steigern im Vorfeld der Visite den Beschuß der Stadt  ■ Von Erich Rathfelder

Berlin (taz) – Kommt er nun, oder kommt er nicht? Der Besuch des Papstes in Sarajevo steht noch nicht fest, denn die Sicherheitsrisiken scheinen sehr hoch zu sein. Ginge es allerdings allein nach dem Willen des katholischen Oberhauptes und Pontifex maximus, dann wird er kommen. Papst Woytila sieht in seinem Besuch einen politischen Akt ersten Ranges. Indem er die umkämpfte Stadt besucht, will er nicht nur den dort seit fast zweieinhalb Jahren eingeschlossenen Menschen Mut machen, er will auch politisch ein Zeichen setzen, ein „äußeres Zeichen des Martyriums“. Und weiterhin will er mit seinem Besuch die Position des Erzbischofs von Sarajevo, Vinko Puljic, stärken, der wie der Zagreber Kardinal František Kuharic gegen den Kriegskurs der kroatischen Führung in Zagreb und der Westherzegowina protestiert hat und für das friedliche Zusammenleben aller Nationen in Bosnien-Herzegowina, insbesondere mit den bosnischen Muslimen, eingetreten ist.

Flughafen unter Feuer

Doch die Sicherheitsprobleme sind gewaltig. Schon die am Donnerstag für 9.45 Uhr geplante Landung des Flugzeuges dürfte den Sicherheitsbeamten immense Probleme bereiten, denn das Flugfeld wurde gestern im Vorfeld des Besuchs fast pausenlos von serbischen Heckenschützen beschossen. Auch der Weg vom Flughafen in das Stadtzentrum, den Papst Johannes Paul II. sogar in einem offenen Wagen und nicht in einem Schützenpanzer zurücklegen will, führt durch gefährliches Gelände, durch die sogenannten Sniper-Allee, wo serbische Scharfschützen vom serbisch besetzten Stadtteil Grbavica aus aktiv sind. Die Straße wurde gestern ebenfalls unter Feuer genommen. Gelänge dem Papst die unbeschadete Durchfahrt, dann würde er vom bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović begrüßt werden. Anschließend ist eine Fahrt zum Eispalast Zetra geplant, wo der Papst mittags eine Messe lesen will. Auch dieses Gebiet ist höchst gefährlich, liegt es doch unterhalb serbischer Stellungen, die sich auf der Hügelkette Poljine befinden. Selbstredend ist die gewaltige Menschenmenge – unter ihnen nicht nur die 20.000 Katholiken, die noch in der Stadt leben, sondern auch viele Muslime und Orthodoxe – leichtes Ziel für Provokationen aller Art.

Die serbisch-bosnische Führung unter Radovan Kardažić hat dem Papst wiederholt abgeraten, nach Sarajevo zu kommen. „Man könne keine Sicherheitsgarantie übernehmen“, tönte es aus der Serbenhochburg Pale. Denn: „Die Muslime könnten ja auf den Papst schießen, um es dann den Serben in die Schuhe zu schieben.“ Die Propaganda hält sich auch im Falle des Papstes offenbar an das bewährte Muster, die eigenen Aktionen der Gegenseite in die Schuhe zu schieben.

Gleichzeitig mit den Warnungen wurden die Militäraktionen von serbischer Seite gegenüber der Stadt verstärkt. In Teilen Sarajevos brach der Waffenstillstand zusammen. Nicht nur die gesteigerte Snipertätigkeit soll den Papst vor seinem Besuch abschrecken, auch die Kämpfe um den Berg Igman und die dort befindliche Straße, die bislang den einzigen nicht von den Serben kontrollierten Zugang zur Stadt erlaubte, sowie Angriffe der serbischen Nationalistenarmee bei Breza, einem Städtchen nordöstlich von Sarajevo, deuten darauf hin, daß Karadžić unabhängig vom Papstbesuch das Gesetz des Handelns auch militärisch wieder an sich ziehen will. Denn militärisch hatte die serbische Seite in den letzten Wochen gerade in diesem Gebiet einige Niederlagen durch die bosnischen Armee hinnehmen müssen. Die Drohung, die Stadt völlig von der Außenwelt abzuriegeln sowie die Strom- und Wasserzufuhr abzustellen, die Karadžić kürzlich ausgesprochen hatte, setzt die militärische Kontrolle über das Gebiet um Sarajevo voraus.

US-Schutz für den Papst?

Daß nicht nur die serbisch-nationalistische Seite ein Interesse an der Verhinderung des Papstbesuches hat, sondern auch Teile der UNO-Truppen, wird durch Berichte aus diplomatischen Quellen belegt. So soll General Michael Rose, der britische Oberbefehlshaber der Truppen der Vereinten Nationen, Unprofor, schon vor zwei Wochen Sicherheitsgarantien für den Besuch des Papstes abgelehnt haben. Daraufhin hätten, so die diplomatischen Quellen, die USA die Sicherheitsgarantien übernommen. Papst Johannes Paul II. wird deshalb voraussichtlich unter US-amerikanischem Schutz nach Sarajevo reisen.

Der Papstbesuch ist auch für die innerkatholische Auseinandersetzung in Kroatien und der Westherzegowina bedeutsam. Mit seinem Besuch wird der Papst dem Erzbischof von Sarajevo den Rücken stärken, der im Gegensatz zur offiziellen kroatischen Politik als Vertreter der bosnischen Kroaten für ein einheitliches, multireligöses und multikulturelles Bosnien eingetreten ist. Unterstützt wurde der Erzbischof bisher von den zentralbosnischen Franziskanern und dem Oberhaupt der kroatischen Katholiken, Kardinal Kuharic. Im Gegensatz dazu steht der größte Teil des Klerus der Westherzegowina hinter der Politik der Teilung Bosniens.