Streit um Abtreibung

■ Entwicklungsländer, Islam und Vatikan gegen Kairoer Dokument

Kairo (AFP) – Am zweiten Tag der UN-Bevölkerungskonferenz haben sich gestern in der Frage der Abtreibung die Fronten verhärtet. Die iranische Delegation kündigte an, die islamischen Staaten und die Gruppe 77, das Bündnis der Entwicklungsländer, würden gemeinsam gegen die Propagierung von Freizügigkeit und Abtreibung kämpfen. Passagen, die die religiösen Gefühle verletzten, müßten im geplanten Abschlußdokument geändert werden, sagte Delegationschef Mohammed Ali Taschkiri. Er erklärte, in allen muslimischen Ländern sei die Abtreibung verboten und dürfe daher nicht propagiert werden.

Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Hiroshi Nakajima, betonte gestern in einer Rede vor der Vollversammlung, Abtreibung werde nicht als Methode der Verhütung propagiert. Vielmehr sei es das Ziel der Vereinten Nationen, Beratungsstellen zur Familienplanung einzurichten, um die Zahl der Abtreibungen zu verringern. Als Kompromiß schlug Nakajima vor, die Frage der Abtreibung im Kapitel für „öffentliche Gesundheit“ abzuhandeln und nicht wie im bisher geplanten Abschlußdokument im Kapitel zur „Familienplanung“.

Nach Gesprächen mit Vertretern des Vatikans war US-Vizepräsident Al Gore zu der Überzeugung gelangt, daß ein Kompromiß mit der katholischen Kirche nicht zu erzielen sei. Eine gestern veröffentlichte Erklärung des Vatikans bestätigte dies. Der Heilige Stuhl akzeptiere, daß eine Frau durch eine Schwangerschaft mit „ernsten Problemen“ konfrontiert sein könne. Solche Schwierigkeiten legitimierten jedoch keine Verletzungen des Rechtes auf Leben. Vor allem müsse ein schwangere Frau medizinische Hilfe und Betreuung erhalten. Wenn sie dennoch das Kind nicht wolle, müsse ihr die Freigabe zur Adoption ermöglicht werden. Der Vatikan und islamische Fundamentalisten hatten bereits im Vorfeld der Konferenz Kritik an der Bevölkerungspolitik der UNO geübt.