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Die Gesundrechnung von Altenwerder

■ Noch ein Gutachten: Hafenzukunft auch ohne eine Erweiterung / Altenwerder wird schöngerechnet / Erörterungstermin beginnt Montag Von Florian Marten

“Auch ohne Hafenerweitung wird Hamburg ein wichtiger Containerhafen bleiben.“ Dieser Satz stammt nicht etwa aus dem Munde der grünen Wirtschaftsfachfrau Krista Sager – er findet sich im druckfeuchten Hafenerweiterungsgutachten der Essener Consultingfirma Planco. Auch der Hamburger Politiker-These, ein Verzicht auf die mindestens 550 Millionen Mark teure Hafenerweiterung werde Rotterdam als großen Gewinner sehen, wird von den Essener Gutachtern nachdrücklich entgegengetreten: „Die Reeder werden bemüht sein, weiterhin einen Deutschland-Hafen anzubieten. Als Verlagerungshafen mit möglichst ähnlichen Standortvorteilen kommt nur Bremerhaven in Frage.“

Um die Hafenerweiterung gegen jede mögliche Kritik abzuschotten, haben Senat und Wirtschaftsbehörde eine Vielzahl von Expertisen vergeben. Nach ihren Gutachten zur Unterelbevertiefung und zur Konzeption eines Containerterminals Altenwerder durften die Jungs von Planco nun schon zum dritten Mal ran. Ihr jüngstes Werk mit dem verheißungsvollen Titel „Nutzen-Kosten-Betrachtung für eine Hafenerweiterung in Hamburg-Altenwerder“ gibt den Grundtenor der vom Senat gewünschten Ergebnisse denn auch treffsicher wieder. Auf der Basis einer gigantischen Container-Zuwachsprognose (Verdoppelung der heutigen Umschlagsmenge bis zum Jahr 2010) nimmt das Planco-Gutachten zwei Szenarien unter die Lupe: Den Hafen einmal mit (Planfall), einmal ohne Altenwerder (Istfall).

Ergebnis der Gutachter: Bleibt es beim aktuellen Trend des Containerbooms, werden schon im Jahr 2000 die Kaiflächen in Hamburg knapp. Selbst eine Inbetriebnahme Altenwerders im Zeitraum 2002 bis 2010 könne hier nicht ganz Abhilfe schaffen. Immerhin könne Altenwerder aber verhindern, daß Reeder in nennenswertem Umfang Ladungsströme von Hamburg abzögen. Ganz anders beurteilt Planco einen Verzicht auf Altenwerder: Hamburgs Containerumschlag würde bis zur Jahrtausendwende um bis zu 50 Prozent wachsen. Erst danach würden weiterhin steigende Ladungsströme nach Rotterdam und vor allem Bremerhaven umgeleitet. Fazit der Gutacher: Der Verzicht auf Altenwerder wäre keine Katastrophe.

Kleiner, aber gravierender Schönheitsfehler: Die von der Wirtschaftsbehörde jetzt selbst ins Spiel gebrachte Alternative Petroleumhafen/Dradenau (siehe taz vom 3.9.) wurde nicht analysiert. Ein Vergleich der Aussagen von Wirtschaftsbehörde und Planco ergibt jedoch einen dicken Pluspunkt für das Konzept eines Containerterminals im Gebiet BP/Dradenau: Denn die Wirtschaftsbehörde jammert in ihrem Gutachten, dem Standort BP/Dradenau mangle es an Lager- und Distributionsflächen; die Planco-Leute hingegen weisen detailliert nach, daß genau dies gar kein Problem darstellt: Kaiflächen sind der Engpaß, und genau diese bietet der Standort BP/Dradenau in weit größerem Maße als das quadratisch geschnitte Altenwerder mit seiner schmalen Wasserkante, wie die Wirtschaftsbehörde brav nachweist. Kurz: Hält der Containerboom tatsächlich an, würde der Standort BP/Dradenau-Gelände Reedern und Containern weit mehr entgegenkommen als Altenwerder.

Statt das Dradenau-Gelände zu analysieren, durfte Planco nur die Hafenerweiterung in Altenwerder (inklusive Mehrwertsteuer) gesundrechnen. In ihrer Studie kommen sie denn auch auf ein sensationelles Nutzen-Kosten-Verhältnis von 27:1. Anders formuliert: Jede der 550 für Altenwerder erforderlichen Millionen fließt in den nächsten 50 Jahren zurück – regionalwirtschaftlich betrachtet. Dieser Wert ist ausgesprochen hoch: Im Bundesverkehrswegeplan finden sich beispielsweise viele Projekte, die Mühe haben, einen Nutzen-Kosten-Faktor von mehr als 5:1 zu schaffen.

Diese außerordentlich hohe Zahl verdankt ihr Zustandekommen einer ganzen Reihe kleiner feiner Tricks:

1.Trick: Planco überschrieb seine Studie fein zurückhaltend Kosten-Nutzen-“Betrachtung“, statt den bundesgesetzlich definierten Begriff Kosten-Nutzen-“Rechnung“ anzuwenden. Der Grund: Planco rechnete zusätzliche Arbeitsplätze mit 59.000 Mark pro Jahr, während der Bund lediglich 20.500 Mark gestattet.

2. Trick: Planco ließ elegant ökologische Kosten und die Räumungskosten der Vergangenheit außer acht, zusammen mindestens 500 Millionen Mark.

3. Trick: Ebenfalls unter den Tisch fiel, daß der Schaden einer unterlassenen Erweiterung, die Ladungsverlagerung, zu 76 Prozent unserer notleidenden sozialdemokratischen Schwesterstadt Bremerhaven zugute käme.

Schon die Berücksichtigung dieser Tricksereien läßt den Nutzen-Kosten-Faktor von sensationellen 27:1 auf unzureichende 1,5:1 bis 2:1 zusammenschnurren. Damit nicht genug: 97 Prozent der Altenwerder-Nutzen, weit mehr als 10 Milliarden Mark, ergeben sich laut Planco aus der Zahl von mehr als 10.000 Dauerarbeitsplätzen, welche Altenwerder schaffen bzw. sichern soll. Der Trick: Die heutige Zahl in Hamburg angeblich container-bezogener Arbeitsplätze (vom Senat bis zur Frittenbude), insgesamt Stücker 40.000, wurde auf die Menge der heute umgeschlagenen Container-Einheiten (TEU) umgerechnet. Ergebnis: 10.000 TEU entsprechen 208 Arbeitsplätzen.

Dies ist nicht nur methodisch unhaltbar (seit wann führen Schwankungen im Containerumschlag zu Schwankungen der Arbeitsplätze in Senat und Verwaltung?!), es läßt auch Alternativen außer acht: Also die Frage, wieviel Arbeitsplätze der Senat mit 550 Millionen Mark an anderer Stelle schaffen könnte, z.B. für gezielte Kleingewerbeprojekte in Hamburgs Problemstadtteilen.

Das Planfeststellungsverfahren Altenwerder, das am 12. September beginnt, ist durch die neuen Gutachten erheblich brisanter geworden. Denn die volkswirtschaftlichen Gefahren einer unterlassenen Hafenerweiterung sind offenkundig schon ohne Berücksichtigung der hochproblematischen Tricksereien bei der Nutzen-Kosten-“Betrachtung“ weit geringer, als der Senat bislang behauptet hat.

Die Senatsvertreter dürften aller Voraussicht nach ganz erhebliche Schwierigkeiten bekommen, den Verzicht auf die Altenwerder-Alternative BP/Dradenauhafen dauerhaft durchzustehen.

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